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»Die Stimmung ist gedrückt«

Arbeitsplatzverlust war Thema bei 6. Bezirksverbandstag der IG BAU

Kreis Herford (hr). »Die Stimmung ist gedrückt, viele Delegierte sind gereizt. Wir fürchten um den sozialen Frieden in der Bundesrepublik.« Ein düsteres Bild malte Heinrich Echterdiek, stellvertretender Bezirksvorsitzender die Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt (IG BAU), beim sechsten ordentlichen Bezirksverbandstag, der in Bünde stattfand.

Kurshalten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - dieses Thema beherrschte den Verbandstag. Die Wahl des Bezirksvorstandes geriet dabei eher in den Hintergrund. Im Amt bestätigt wurden so der Bezirksvorsitzende Dieter Bräuer und Heinrich Echterdiek. Als Hauptredner konnten die Delegierten, die aus ganz OWL angereist waren, Frank Wynands begrüßen, Mitglied im Bundesvorstand der IG BAU.
»In den vergangenen zehn Jahren ist jeder zweiter Arbeitsplatz in unserer Branche verloren gegangen. Die Arbeitnehmer, die noch einen Arbeitsplatz haben, stehen unter einem ungeheuren Druck. Die Arbeitsgeber erwarten, dass ihre Beschäftigten auf viele Leistungen verzichten, praktisch ohne Tarifverträge arbeiten«, skizzierte Wynands die derzeitige Situation aus Sicht der IG BAU. Verzicht auf Urlaubstage, mehr Arbeit für das gleiche oder weniger Geld - das seien nur einige der Forderungen, mit denen Bauarbeiter konfrontiert würden.
Skandalös seien auch die möglichen Auswirkungen der neuen Regelungen beim Arbeitslosengeld. »Wird heute jemand arbeitslos, der 20 oder 25 Jahre lang seine Beiträge eingezahlt hat, erhält er ein Jahr lang Arbeitslosengelt I«, so Wynands. Finde der Betreffende im Anschluss daran wieder eine Stelle, die aber beispielsweise nur auf sieben Monate begrenzt sei - »und wir haben viele saisonal Beschäftigte in der Baubranche« - so gebe es anschließend nur noch Hartz IV, sprich Sozialgeld. »Im Klartext: der Betreffende ist anschließend Sozialhilfeempfänger«. Von der jetzigen Regierung fühle sich die IG BAU wenig unterstützt, betonte Wynands.
Mit großer Sorge betrachte die Gewerkschaft auch die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer im Betrieb darüber abstimmen könnten, ob sie die Tarifverträge übernehmen wollten oder nicht. »In dieser Zeit mit einer hohen Arbeitslosenquote und schwindenden Arbeitsplätzen wollen viele ihren eigenen Job sichern. Im Grunde genommen wird hier aber nur die Illegalität legalisiert.«
Die Beschäftigten seien von der puren Angst um die eigene Zukunft ergriffen. Kritik äußerte Wynands auch an den Kommunen. Man müsse auf die Kommunen einwirken, dass sie das Tariftreuegesetz auch einhalten würden. »Die Realität sieht aber ganz anders aus. Genommen werden die Anbieter, die am günstigsten sind. Und das sind bestimmt nicht diejenigen, die sich an Tarifverträgen orientieren.«
Die IG BAU stelle außerdem eine extreme Störung der Wirtschaftskreisläufe fest. »Früher war Deutschland Motor in Europa - heute sind wir die Bremse.«

Artikel vom 05.04.2005