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Eine Whisky-Flasche
auf den Sieg geleert

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Stalag 326

Schloß Holte-Stukenbrock (kl). Mit einer Schweigeminute endete am Samstag auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof in Stukenbrock-Senne die Gedenkfeier zur Befreiung des Stammlagers (Stalag) 326 vor 60 Jahren. Jochen Schwabedissen, zweiter Vorsitzender des Arbeitskreises »Blumen für Stukenbrock«, hatte die etwa 250 Anwesenden dazu aufgefordert.

Neben Botschaftsvertretern aus Russland, Weißrussland, der Ukraine und den USA sowie Abordnungen mehrerer DKP-Bezirke und Gewerkschaften nahmen auch wieder Überlebende des Stalag an der Veranstaltung teil, unter ihnen Dimitri Orlow und Professor Wladimir Naumow, der dreizehn Jahre alt war, als das Lager befreit wurde. Elf Kränze und Gestecke wurden am Obelisken zu Ehren der in Gefangenschaft Verstorbenen abgelegt.
Werner Höner, Vorsitzender des Arbeitskreises, erinnerte zu Beginn an die historischen Ereignisse am 2. April 1945. »Mit dem Lager wurden auch die Menschen unserer Region befreit.« Noch heute gebe es Schwierigkeiten mit der Wertung der Ereignisse. Gern werde der Begriff »Befreiung« umgangen. Doch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker habe bereits 1985 gesagt: »Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung.«
Dem Vorsatz »Nie wieder Krieg und Gewaltherrschaft« sei man in der Folge nicht gerecht geworden. Der kalte Krieg habe alte Feindbilder wieder aufleben lassen. Nur dem energischen Protest der britischen und sowjetischen Botschaftsvertreter sei es zu verdanken, dass der Obelisk in den 50-er Jahren nicht komplett abgerissen wurde. Unter dem starken Beifall der Teilnehmer bekräftigte Höner in einem Appell an die Landesregierung noch einmal den Wunsch der Überlebenden, den Obelisken wieder so herzurichten, wie die Gefangenen ihn 1945 hinterlassen haben. Minister Wolfram Kuschke bestätigte kurz darauf, dass in die Sache Bewegung gekommen ist (siehe nebenstehenden Bericht).
Als Überlebender des Stalag berichtete Dimitri Orlow über Planung und Bau des Obelisken. Er dankte dem Arbeitskreis und speziell dem Vorsitzenden, Werner Höner, für seine Arbeit und für den guten Zustand des Friedhofs.
Festredner Anatoli Popow, ehemaliger Botschaftsrat der Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland, erinnerte ebenfalls an die historischen Ereignisse und schilderte exemplarisch das Einzelschicksal von Professor Wladimir Naumow, der als Dreizehnjähriger die Befreiung des Lagers durch die amerikanischen Soldaten erlebte. Aber auch die sowjetischen Soldaten seien den USA zu Dank verpflichtet, nämlich für die Unterstützung während des Krieges durch Fahrzeug- und Waffenlieferungen.
»Einmal fanden wir auf der Ladefläche eines amerikanischen Fahrzeugs eine volle Whisky-Flasche. Wir haben sie als Gruß der Alliierten Soldaten aufgefasst und auf den Sieg geleert.« Popow griff abschließend den Versöhnungs-Gedanken auf und wies darauf hin, dass viele der Überlebenden in Deutschland gute Freunde gefunden haben.

Artikel vom 04.04.2005