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Der Tag, an dem der Krieg zu Ende war

Zwei Zeitzeugen erinnern sich an den Einmarsch der Amerikaner in Löhne am 3. April

Von Silke Schade
Löhne (LZ). Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. »Sie kommen, sie kommen«, rief der Nachbarjunge und eilte von Haus zu Haus. Fritz Fischer reagierte prompt. Hoch oben auf dem Dach der Möbelfabrik seines Vaters in Löhne-Ort hisste er eine weiße Fahne und setzte damit ein Friedenszeichen.

Mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen gingen am 3. April 1945 die kämpferischen Auseinandersetzungen des Zweiten Weltkriegs in Löhne zu Ende. Knapp drei Wochen vorher, am 14. März 1945, hatte ein Bombenhagel der Alliierten 158 Menschenleben gekostet (LZ vom 14. März). Seitdem sah nichts mehr aus wie früher in der Werrestadt. Die Straßen waren übersät von Einschlaglöchern; Häuser und öffentliche Gebäude glichen Ruinen.
Eine Leere auch in den Köpfen der Menschen. »Niemand wusste, was nach dem Bombenangriff kommen würde«, erinnert sich Fritz Fischer, der damals als 15-Jähriger eine Tischlerlehre absolvierte. »Die Ungewissheit machte einen verrückt.«
Anna Held aus Obernbeck kümmerte sich zu jener Zeit als 33-jährige Hausfrau um Sohn Wilhelm. »Wie es weitergehen würde, konnten wir nur erahnen«, blickt die heute 93-Jährige zurück. »Wir hatten rund um die Uhr Angst.« Eben deshalb versteckte sie sich mit ihrem Sohn in einem großen Fabrik-Schornstein, als die Amerikaner kamen. Nur gelegentlich lugte sie auf die Steinstraße, wenn ein Konvoi von Panzern vorbeiratterte oder eine Kompanie von schwer bepackten Soldaten vorbeimarschierte. Die Notwendigkeit, sich zu verstecken, hielt in den folgenden Wochen an. »Als Frau musste man sich besonders in Acht nehmen.«
Fritz Fischer hatte es da leichter. Als 15-Jähriger stand er am Straßenrand, winkte mit dem Taschentuch und begrüßte so die Soldaten, die - aus Richtung Oberbehme kommend - einmarschierten. »Bei uns ist alles friedlich über die Bühne gegangen«, erinnert sich der 75-Jährige und fügt hinzu: »Zum Glück!«. Zuerst habe eine Gruppe des Volkssturms die Werrebrücke sprengen wollen, um die Besatzer aufzuhalten. »Doch die Wachen suchten rechtzeitig das Weite«, erzählt der Falscheider. So konnten die Amerikaner ungehindert in Löhne einmarschieren und die Stadt unter Kontrolle bringen.
Die Erinnerungen an diese Zeit können variieren, doch Fritz Fischers fallen ganz positiv aus. Genau hat der 75-Jährige die Beerdigung eines Verwandten im Gedächtnis, der bei dem Angriff auf die Weserhütte in Bad Oeynhausen ums Leben gekommen war. »Als die Amerikaner die Bahre mit dem Toten sahen, sprangen sie von ihrem Panzer herunter, nahmen ihren Helm ab und verbeugten sich. Das habe ich als sehr anständig empfunden.«
Je länger die Besatzer da gewesen seien, desto mehr habe sich auch sonst das Verhältnis entkrampft. Schließlich sei es sogar zu Tauschgeschäften gekommen. »Die Soldaten wollten unsere Fahrtenmesser, wir erhielten dafür Tabakwaren und Schokolade«, lacht der 75-Jährige noch heute über den Kuhhandel.
Auf der Konferenz von Jalta wurde im Februar die Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen erstmals erwogen; bei der Potsdamer Konferenz im Juli wurde sie beschlossen. Schon im Mai - kurz nach der Kapitulation Deutschlands am 8. - übernahmen englische Truppen in Löhne das Sagen.

Artikel vom 02.04.2005