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»Man kommt ganz anders ins Gespräch«

Vorbeugungsseminare der Polizei mit Fahranfängern - Für die Beamten eine Abwechslung

Schloß Holte-Stukenbrock (kl). Es könnte Zufall sein, aber möglicherweise besteht ja auch ein Zusammenhang: Immer dann und überall dort, wo die Polizei mit jungen Fahrern bereits im Rahmen des Fahrschulunterrichtes ins Gespräch gekommen ist, sind bis jetzt die Unfallzahlen dieser Zielgruppe zurück gegangen.

Junge Fahrer - das sind in der Sprache der Versicherer und der Polizei die 18- bis 24-Jährigen. Sie machen einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von 7,9 Prozent aus. An den Verkehrsunfällen mit Verletzten beträgt ihr Anteil jedoch 20 Prozent. Zahlen, mit denen Polizeioberkommissar Jürgen Pierenkemper und Polizeikommissar Jürgen Degener gerne einsteigen, wenn sie in einer Fahrschule zu Gast sind. »An einem solchen Abend kommt man ganz anders ins Gespräch, als bei einer Polizeikontrolle«, sagt Jürgen Degener.
Das Projekt wurde 1999 in der Polizeiinspektion Rheda-Wiedenbrück geboren, als man auf den Gedanken kam, etwas zur Vorbeugung bei der Gruppe der Fahranfänger zu machen. So gibt es die Puppenbühne der Polizei für die Kindergärten und den Verkehrsunterricht mit Fahrradprüfung an den Grundschulen. Während für diese beiden Angebote aber das Kommissariat Vorbeugung bei der Kreispolizeibehörde in Gütersloh zuständig ist, hat man die Betreuung der jungen Fahrer bei den Kollegen vom Wach- und Wechseldienst angesiedelt.
Auch Jürgen Pierenkemper und Jürgen Degener sitzen normalerweise im Streifenwagen. Doch das macht sie aus eigener Sicht gerade glaubwürdig im Gespräch mit den jungen Leuten. »Aus der Praxis für die Praxis, ist unser Motto«, sagt Pierenkemper. Dazu gehört, dass beispielsweise über Unfälle gesprochen wird, die quasi vor der Haustür passieren. »Wir können aus eigener Erfahrung berichten, was sich uns für ein Bild bietet, wenn wir zu so einem Unfall gerufen werden. Da hören die jungen Leute dann auch zu.« Fotos und Filme veranschaulichen das Thema zusätzlich - wenn die Technik funktioniert, denn die Beamten nutzen das Computersystem der jeweiligen Fahrschule.
Ausführlich wird über die Ursachen solcher schweren Unfälle gesprochen: Alkohol, Missachtung der Anschnallpflicht, Handy am Steuer und Fahrfehler wie zu hohe Geschwindigkeit. Doch in einem zweiten Schritt versuchen Jürgen Pierenkemper und Jürgen Degener auch, klar zu machen, welche Konsequenzen solches Handeln hat. »Nur wenige wissen zum Beispiel, dass Versicherungen die Zahlung verweigern können, wenn jemand grob fahrlässig gehandelt hat.« Was erwartet einen bei Fahrerflucht oder unterlassener Hilfeleistung? Und schließlich auch die psychologische Komponente: Wie lebt es sich damit, dass man möglicherweise einen Menschen getötet hat?
Damit das Ganze nicht zu trocken wird, gibt es aber auch ein bisschen Praxis. Die beiden Polizisten kommen mit dem Streifenwagen und führen ihre Technik vor: Laserpistole, Alkotester und Drugwipe (Testgerät zum Nachweis von Drogenmissbrauch).
Zehn bis zwölf Mal im Jahr sind Schloß Holte-Stukenbrocker Streifenbeamte zu solchen Abendseminaren in den hiesigen Fahrschulen. Damit keine Personalengpässe entstehen (Überstunden sollen möglichst nicht entstehen), wird die Präventionsarbeit in den Dienstplan eingearbeitet. »Es ist auch für uns eine Abwechslung«, sagt Jürgen Degener.
Der Besuch wird den Fahrschülern in der Regel als Theoriestunde angerechnet. Zum Besuch verpflichtet werden kann allerdings keiner. Es scheint sich jedoch zu lohnen. Am Ende des Abends geben die Polizisten einen Fragebogen aus, in dem Lob und Kritik geäußert werden dürfen. »Dass wir etwas erreicht haben, merken wir aber spätestens dann, wenn von den jungen Fahrern unser Unterrichtsmaterial in der Wache nachgefragt wird, beispielsweise für ein Schulreferat«, so Pierenkemper. Und natürlich gibt er die Unterlagen gerne heraus.

Artikel vom 02.04.2005