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Panzer rollen über die Westheide

Fünfter Teil der Exklusiv-Serie: Die letzten Tage von Angst und Tod

Von Dr. Richard Sautmann
Versmold (WB). Das Ende des Zweiten Weltkrieges jährt sich in Kürze zum 60. Mal. Die Geschehnisse in Versmold während des Krieges und vor allem in dessen letzten Monaten und Wochen beleuchtet Stadtarchivar Dr. Richard Sautmann exklusiv für den VERSMOLDER ANZEIGER in einer fünfteiligen Serie. Im letzten Teil widmet sich Sautmann heute den letzten Tagen von Angst und Tod und insbesondere dem 2. April 1945 -Êdem Tag, an dem der Krieg in Versmold zu Ende ging.

Nach der Rheinüberquerung der amerikanischen Verbände errichtet der Volkssturm auch in Hesselteich eine Panzersperre und zwar vor der Brücke an der Brennerei Knemeier. Am Ostersonntag rücken die Amerikaner aus Richtung Greffen über Niediek kommend heran, eine Panzerkolonne, die auf ihrem Wege sämtliche Strommasten niederreißt. In Höhe des Gehöfts Hesselteich 8 (Lübbert) werden sie von SS-Männern der Panzertruppe Wiking angegriffen. Es entspinnt sich ein heftiges Gefecht. Der Hesselteicher Dorfchronik folgend, schießt die SS einen Tankwagen der Amerikaner in Brand. Aber dadurch lässt sich der Vormarsch natürlich nicht aufhalten. Die Panzer gehen in Stellung und feuern auf die SS -Êinsgesamt neun deutsche und neun amerikanische Soldaten bezahlen das Gefecht mit ihrem Leben.
Nach Abschluss der Kampfhandlungen ziehen die Amerikaner in Richtung Borgholzhausen weiter, wo ihnen abermals heftiger Widerstand entgegenschlägt. In Hesselteich wiederum gilt es nun, die Gefallenen des völlig sinnlosen Gefechts zu bestatten, bei dem auch Langemanns Kotten (Hesselteich Nr. 28) in Brand geschossen worden ist. Fünf der deutschen Soldaten werden hinter der Besitzung Kampwerth (Nr. 65) beerdigt, weitere vier zusammen mit einigen amerikanischen Gefallenen auf der so genannten »Goldkuhle«.
Währenddessen nimmt auch in Versmold die Spannung zu. Zwar sind die SS-Panzer größtenteils schon Ostersamstag abgefahren, aber einige wenige Fahrzeuge kreuzen noch immer durch die Straßen der Stadt. Schon am Karfreitag haben sie, der Stadtchronik folgend, ein erstes Treffen mit einigen amerikanischen Panzern, die sich offenbar von ihrem Verband gelöst und quasi hierher verirrt haben. Es folgt ein Schusswechsel mit schrecklichen Folgen. Das Haus an der Ecke Münsterstraße/Westheider Weg (Haus Fritz Pelster) erhält einen Treffer: Mehrere Personen, die im Keller Zuflucht gesucht haben, sterben, darunter auch einige Kinder.
Daraufhin erreicht die Angst der Einwohnerschaft den Siedepunkt. Längst sind die Koffer gepackt und überzählige Lebensmittel versteckt, als der Morgen des 2. April anbricht. Viele verlassen am Ostermontag die Stadt aus Angst vor Beschießung, während sich »beherztere Naturen« in ihren Kellern einrichten, um dort den Sturm über sich hinweg ziehen zu lassen. So erleben nur die wenigsten Versmolder das Drama, das sich noch in den frühen Morgenstunden vor ihrer Haustüre abspielt. An diesem Morgen ergreift der polnische Kriegsgefangene Leon Grzeskowiak, vom unaufhaltsamen Vormarsch der Amerikaner ermutigt, die Flucht. Er wird von SS-Angehörigen gestellt, die ihn zum Aabach führen und dort erschießen. Ein Grabstein erinnert bis heute an das letzte Opfer, das der Krieg unter den Versmolder Zwangsarbeitern fordert.
Mittags dann haben auch die letzen deutschen Truppen die Stadt verlassen. Die Bevölkerung wartet derweil in ihren Kellern auf den Fortgang der Ereignisse, doch wird ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. Gegen Mittag hört man noch einige Schüsse, dann herrscht Stille. Nachmittags dringt das »dumpf donnernde Getöse der einfahrenden Panzer« (Stadtchronik) in Richtung Innenstadt, die über die Westheide rollen, dann aber doch stehen bleiben. Erst gegen 19 Uhr dringen einzelne amerikanische Soldaten von der Rothenfelder Straße bis zur Ravensberger Straße vor. Die Vorsicht der Amerikaner ist berechtigt, denn die umliegenden Waldstücke des Amtsgebietes stecken noch voll von versprengten Wehrmachtsangehörigen. In der Stadt selbst aber ist jeder Widerstand erloschen und die Menschen harren nun einem Frieden, der ihnen noch manches Opfer abverlangen soll.

Artikel vom 02.04.2005