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Die ersten Kunden werden in der 1955 neu errichten Apotheke begrüßt

Reformer gab den Namen

Jubiläum der ältesten Apotheke

Espelkamp (WB). Ihr 50-jähriges Geschäftsjubiläum feiert im April die Freiherr-vom- Stein-Apotheke in Espelkamp. Sie war die erste Apotheke Espelkamps und lange Zeit auch die einzige.

Als der Apotheker Dr. Richard Fritsch 1953 die Konzession für den Betrieb einer Apotheke erhielt, war die heutige Breslauer Straße noch ein Waldweg und jeden Tag fuhr eine Frau mit dem Fahrrad nach Rahden, um die Rezepte, die sie im Munagelände eingesammelt hatte, dort einzulösen. Nur wenige konnten sich damals vorstellen, dass sich ein Waldweg in die Breslauer Straße und eine Ansammlung von Munahallen zu einer selbst verwalteten Stadt verwandeln könnten. Der Standort an der Breslauer Straße wurde aufgrund eines städtebaulichen Wettbewerbs gewählt. Der Architekt hatte eine Stadtmitte geplant, zu der neben Marktplatz und Rathaus auch die Apotheke gehören sollte. Diese Planungen führten zu einer Bauverzögerung von ungefähr einem Jahr.
1954 wurde dann mit dem Bau begonnen und am 20. April 1955 wurde die neue Apotheke eröffnet. Die Konzession für den Betrieb einer Apotheke musste damals noch von dem Regierungspräsidenten in Detmold erteilt werden. Unter einer großen Zahl von Bewerbern erhielt Dr. Fritsch als Dienstältester die Konzession für Espelkamp.
Dr. Fritsch stammte aus dem Osten, aus Landsberg an der Warthe (jetzt Gorzow) und fand in der Gemarkung Mittwald nicht nur die aus Brandenburg vertrauten Kiefernwälder vor, sondern in der Aufbauphase der Nachkriegszeit die Aufgabe, aufzubauen und den anderen Vertriebenen zu helfen. Hierin wurde er bestärkt durch seine Ehefrau, Dr. Anne Fritsch, die auch aus Landsberg kam. Sie wählten für ihre neue Apotheke den programmatischen Namen des Freiherrn vom Stein, der in seinen so genannten preußischen Reformen 1807/08 (unter anderem Bauernbefreiung, Selbstverwaltung der Städte) den politischen und gesellschaftlichen Grundsatz verwirklichte: Freiheit der Bürger von allen Einschränkungen und Bevormundungen als Voraussetzung für ihre verantwortliche Mitarbeit am staatlichen und gesellschaftlichen Leben, ein Grundsatz, der in den Anfängen Espelkamps besonders gefordert war.
Dr. Richard Fritsch, der im Jahr 2002 verstorben ist, hat das Unternehmen 1985 traditionsgemäß seinem ältesten Sohn übertragen. Seither leitet Apotheker Reinhard Fritsch das Unternehmen. Seine Ehefrau Bettina ist selbst auch Apothekerin und kann über drei Generationen ihrer Vorfahren - darunter auch wieder Apotheke r- berichten, welche die Vertreibungen aus dem Osten nicht erst nach dem zweiten, sondern zuvor auch nach dem ersten Weltkrieg erleiden mussten.
So bleiben Schicksal, Aufgabe und Verpflichtung mit dem Namen der Apotheke verbunden. Um den wachsenden Anforderungen an eine moderne Apotheke zu entsprechen - die ständig steigende Einwohnerzahl Espelkamps machte zum Beispiel ein größeres Warenlager erforderlich - wurde das ursprüngliche Apothekengebäude im Laufe der vergangenen 50 Jahre dreimal (1973, 1983, 1990) aus- und umgebaut, so dass das heutige moderne Apotheken- und Ärztehaus kaum noch an das Haus aus der Frühzeit erinnert. Die Belegschaft der Freiherr vom Stein-Apotheke wird mit den Espelkamper Bürgern das Apotheken-Jubiläum in der Woche vom 18. bis 23 April feiern, zumeist mit Veranstaltungen in der Apotheke.
Höhepunkt der Jubiläumswoche wird am 23. April um 10 Uhr eine öffentliche Matinee im Bürgerhaus sein, bei der Reinhard Fritsch über den Werdegang der Apotheke berichten wird. Danach wird Manfred Steinmann referieren: »Freiherr vom Stein-Apotheke, eine programmatische Namensgebung 1955 in Espelkamp-Mittwald«. Zu dieser Veranstaltung sind alle Espelkamper und Freunde der Freiherr vom Stein-Apotheke herzlich eingeladen.

Artikel vom 01.04.2005