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Giftige Feinstäube auch an der B 68?

Stadt befürchtet zu hohe Belastung am Amtsgericht - Anfrage ans Landesumweltamt

Von André Best
Halle (WB). Bisher gab es nach Expertenmeinungen noch keine besorgniserregenden Werte für den Altkreis Halle - aber trotzdem könnte die Stadt Halle wegen zu hoher giftiger Feinstaubbelastung an der B 68 ins Visier von Umweltschützern und Bürgern kommen. Stellvertretender Bürgermeister Jürgen Keil bestätigte dem WESTFALEN-BLATT, dass die Stadt bereits in Kontakt mit dem Landesumweltamt Essen stehe.

Denn ausgerechnet am Amtsgericht Halle, so befürchtet Keil, könnte die Belastung der gesundheitsschädlichen Partikel größer sein als von den EU-Richtern erlaubt. Es gibt zwar bislang keine aktuellen Messungen von Feinstäuben am dortigen Fußgängerüberweg. Dennoch kann derzeit niemand ausschließen, dass hier, wo sich mehr als 70 000 Lastwagen pro Monat durch das Nadelöhr quälen müssen, die Grenzwerte überschritten werden.
Fakt ist: In ganz NRW hat es 2002 Stichprobemessungen gegeben. Landesweit wurden 68 000 Straßen untersucht. Das bestätigte gestern Wilhelm Kappert vom Landesumweltamt Essen dem WESTFALEN-BLATT. In der Region wurden Bereiche in Gütersloh und Bielefeld unter die Lupe genommen - nicht aber der vom Schwerlast- und sonstigem Verkehr seit Jahren besonders belastete B-68-Bereich mitten in Halle. Hier wurden nur »orientierende Maßnahmen« angestellt, hieß es gestern beim Umweltamt.
Was also, wenn besorgte B-68-Anlieger oder Umweltschützer eine Luft-Untersuchung dieses problematischen Bereichs fordern? Was wäre, wenn die Werte - wie vielleicht sogar erwartet - so hoch sind, dass möglicherweise die Stadt Maßnahmen ergreifen müsste, um die Belastungen zu reduzieren? Fragen über Fragen, auf die sich auch die Stadt Halle Antworten erhofft. »Wir werden das Landesumweltamt um eine Stellungnahme bitten. Die Experten sollen uns sagen, wie sie den Bereich beurteilen. Wir erhoffen uns eine fundierte Einschätzung«, sagte Jürgen Keil. Denn Messungen selbst vornehmen, das könne und wolle die Stadt nicht. Da seien andere gefordert, meinte Keil.
Offenbar ist es aber möglich, eine dauerhafte Messstation nach Halle zu bekommen. »Wenn uns eine Kommune ihr Anliegen schildert und es berechtigte Gründe gibt, könnte der Standort in die Vergabeliste weiterer Messstationen aufgenommen werden«, sagte Wilhelm Kappert vom Landesumweltamt Essen. Bislang gibt es in ganz Nordrhein-Westfalen 58 dieser festen Stationen.
Bei der Stadt erhofft man sich aber zuerst einmal weitere Informationen. »Wir wollen nicht unvorbereitet sein. Deshalb stellen wir den Kontakt zum Landesumweltamt her«, betonte Keil.
Die kleinen Staubteile können Entzündungen, Wucherungen, Asthma, Bronchitis oder Krebs auslösen. In Deutschland gilt seit Jahresbeginn die Feinstaub-Richtlinie der Europäischen Union (EU). Pro Tag dürfen damit nur noch höchstens 50 Mikrogramm Feinstaubpartikel pro Kubikmeter Luft erreicht werden. Dieser Wert darf an nicht mehr als 35 Tagen pro Jahr überschritten werden.
Wegen zu hoher Luftverschmutzung mit Feinstaub hat der Umweltverband Deutsche Umwelthilfe bereits Städte wie Berlin und Düsseldorf verklagt. Die Klage, die sich auf die neue EU-Richtlinie stützt, soll die Städte zwingen, Sofortmaßnahmen zur Reduzierung der gesundheitsschädlichen Partikel zu erlassen.
Während Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) die Städte in der Pflicht sieht, meinte Jürgen Keil auf mögliche Auswirkungen auf Halle bezogen, dass die Stadt nicht für das verantwortlich gemacht werden könne, was Autoindustrie (fehlender oder verzögerter Einbau von Rußpartikelfiltern) und Politiker auf Bundesebene seit Jahren vor sich her geschoben haben. Keil: »Falls die Werte in Halle überhöht sind, kann von uns niemand verlangen, dass wir die B 68 sperren oder den Verkehr umleiten. Meines Erachtens zeigt die Feinstaub-Diskussion, dass wir dringend die A 33 brauchen.« Übrigens: 2010 sollen die Grenzwerte der giftigen Feinstäube weiter verschärft werden.

Artikel vom 01.04.2005