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Jesuitenpater Josef Ullrich aus Dresden: »Jeden Tag christusgemäß leben.«

An Liebe zu Gott festhalten

Tausende Gläubige bei der Delbrücker Kreuztracht am Karfreitag

Von Marion Neesen (Text und Fotos)
Delbrück (WV). Die Frage nach dem Warum stellte Jesuitenpater Josef Ullrich aus Dresden in den Mittelpunkt seiner Predigt während der Delbrücker Kreuztracht am vergangenen Karfreitag. Eine Antwort konnte er den Gläubigen an der Kreuzkapelle zwar nicht geben, forderte sie aber dennoch auf, in ihrer Liebe zu Gott nicht nachzulassen. Denn dies sei die Botschaft, die Jesus in seinen Leiden den Menschen vorgelebt habe.

Zuvor hatten viele tausend Gläubige den Jesus Darsteller mit dem schweren Holzkreuz auf seiner Schulter durch die Delbrücker Innenstadt und an den sieben Fußfällen begleitet. Trotz des regnerischen Wetters war die Anziehungskraft der Delbrücker Kreuztracht auch in diesem Jahr wieder ungebrochen. Bereits seit dem 17. Jahrhundert wird in Delbrück die Tradition der Karfreitagsprozession gepflegt. Damit ist die Stadt am schiefen Kirchturm eine von acht westfälischen Gemeinden, die mit szenischen Darstellungen an die Leiden und den Tod Christi erinnern. Von der Pfarrkirche aus folgen Geistliche und Gläubige dem anonymen Kreuzträger durch die Innenstadt bis hinauf zur Kreuzkapelle.
Tradition hat ebenfalls, dass ein Jesuitenpater die abschließende Predigt an der Kreuzkapelle hält. Diese Aufgabe übernahm in diesem Jahr Pater Josef Ullrich aus Dresden, der in der Krankenhausseelsorge tätig ist. In seinem Alltag mit kranken Menschen begegne ihm immer wieder die Frage nach dem Warum, so der Dresdener Pater. Kranke Menschen fragten, warum das Schicksal gerade sie so hart treffe.
Ebenso erinnerte der Jesuitenpater an die Tsunamie-Katastrophe im vergangenen Jahr. Auch hier fragten sich die Menschen, warum Gott so etwas habe zulassen können, ob er seine Gnade vergessen, sein Erbarmen verschlossen habe. Die Frage nach dem Warum sei nicht erste eine Frage dieses Jahrhunderts, auch die Menschen des alten Bundes hätten sie schon gestellt. »Auch mir begegnet sie immer wieder. Wir weichen dem Unheil nicht aus, auch wenn wir keine Antwort auf diese letzte Frage haben«, so Pater Josef Ullrich. Doch gerade die Kreuztracht zeige, dass auch der Gerechte schlechthin das größte Unheil erlitten habe. Doch er sei sich selbst treu geblieben, habe die Leiden der Welt ertragen und an der Liebe zu Gott und den Menschen festgehalten.
Für Jesus habe sich die Frage nach dem Warum nicht gestellt. Er habe bis zuletzt die versöhnende Liebe gelebt. »Seid so gesinnt, wie es Christus war«, forderte Ullrich seine Zuhörer auf. Dabei dürfe der Glaube nicht von außen angeheftet sein, sondern müsse die Menschen von innen durchdringen. Jeder solle sein Schicksal als Herausforderung begreifen und sich fragen, wie kann ich hier in Liebe leben. Und das dürfe nicht nur an Karfreitag so sein. Vielmehr gelte es, jeden Tag christusgemäß zu leben.

Artikel vom 29.03.2005