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»Fliegender Barbier« hört auf

Bernhard Rövekamp nach 46 Jahren bei den Briten verabschiedet

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). Drei alte Haarschneidemaschinen und ein fast verrostetes Rasiermesser liegen nebeneinander aufgereiht in einer Glasvitrine. »Relikte aus den sechziger Jahren. Die brauche ich aber heute nicht mehr«, erinnert sich der deutsche Frisör Bernhard Rövekamp.

Mit diesem Handwerkszeug hat »der fliegende Barbier«, wie ihn die Briten fast 46 Jahre lang liebevoll nannten, gearbeitet. Jetzt geht der 67-Jährige in den Ruhestand. »Ich habe eine tolle Zeit gehabt, voller Harmonie. Was Verträge angeht, sind die Engländer einfach spitze«, ist Bernhard Rövekamp noch heute voll des Lobes. Am Donnerstag war sein letzter Arbeitstag, heute Morgen übergibt er die Schlüssel für seinen kleinen Barbier-Shop auf dem Gütersloher Flughafen. »Dann ist definitiv Schluss.«
Zum Abschied war auch Standortkommandeur Leutnant Colonel Alex Tucker gekommen und überreichte dem scheidenden »Barbier von Gütersloh« eine Statue und einen Modell-Helikopter als Andenken. »Er hat dem britischen Militär treu und hingebungsvoll gedient und viele Freunde gewonnen. Wir werden seine angenehme Präsenz und seine heitere Konversation vermissen«, sagte der hohe Militär und verabschiedete Bernhard Rövekamp auf seine eigene Art und Weise. Er drehte den »Spieß« um, griff zum Elektrohaarschneider und wollte ihm die Haare schneiden.
Doch wie kam Rövekamp zu diesem ungewöhnlichen Job? Nach seiner Frisörausbildung, so berichtet er, habe er am 10. Oktober 1959 eine Stelle beim damaligen Garnisons-Barbier Paul Damjacob angenommen. Bis 1980 seien beide Partner gewesen, danach wurde Damjacob Rentner. Rövekamp übernahm als Chef Kamm und Schere. Damals kostete der Haarschnitt 50 Pfennige.
Und warum hat er den Spitznamen »der fliegende Barbier« von den Engländern erhalten? »Ganz einfach«, erzählt der Marienfelder, »weil ich in jeder Woche die ganze Kaserne bis hin zu den Einheiten auf der anderen Seite des Rollfeldes bedient habe, nicht selten unter freiem Himmel.« Sein wöchentlicher Lageplan: montags im Barbier-Shop, dienstags in der Flugzeughalle Nummer vier, mittwochs im Garnisons-Hauptquartier, donnerstags im Munitionsdepot und freitags wieder im Barbier-Shop. Rövekamp: »Ich fand sogar die Zeit, um in jeder Mittagspause in der Offiziersmesse meinem Handwerk nachzugehen, außer mittwochs, da war ich in der Feldwebelmesse.« Für den Garnisons-Kommandanten war er stets abrufbar. Nur ein einziges Mal sei er zu spät gekommen. Der Kommandeur ließ ihn eine geschlagene Stunde warten und wies ihn zurecht: »Wenn ich sage zehn Uhr, dann heißt es auch zehn Uhr.«
Nach einem schweren Verkehrsunfall (1976) konnte Bernhard Rövekamp nur noch in seinem Haar-Shop arbeiten. Dort suchten ihn die Kunden auf. »Ich habe nur Soldaten bedient: Vom ein Zehntel Millimeter bis zum Stehhaarschnitt.«
Übrigens: Obwohl Bernhard Rövekamp »der fliegende Barbier« genannt wurde, ist er nie in ein Flugzeug gestiegen. »Ich habe Flugangst«, gesteht er lächelnd und will sich nun seiner gehbehinderten Ehefrau Ursula und seinen drei Enkelkindern widmen.

Artikel vom 29.03.2005