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Kartage: Fasten für die Ohren

Wenn die Glocken schweigen, übernehmen in Rimbeck die Klappern

Von Marius Thöne (Text und Foto)
Rimbeck (WB). Jedes Jahr, wenn von Gründonnerstag bis zur Osternacht in der katholischen Elisabeth-Kirche in Rimbeck die Glocken verstummen, rufen die Messdiener der Gemeinde die Gläubigen mit Klappern und Ratschen zum Gebet und zum Gottesdienst. 15 Mädchen und Jungen waren an den Kartagen zu Fuß unterwegs durch die Straßen des Diemeldorfes.

Johannes Altemeier war zum ersten Mal dabei. Im letzten Frühjahr war er zur ersten heiligen Kommunion gegangen, seitdem ist der Neunjährige Ministrant. Vor lauter Lampenfieber hatte der Grundschüler seine eigene Ratsche zu Hause vergessen - ein Geschenk von Gemeindepastor Bernhard Nake.
Das war allerdings kein Problem. Johannes bediente sich, wie alle anderen auch, aus einem reichen Fundus an Klappern aus zwei Weidenkörben, die im Pfarrhaus auf ihren jährlichen Einsatz warten. Zum Funktionstest drehte er sie einmal. »Ganz schön laut, oder?« Johannes war zufrieden mit seiner Wahl. Jetzt, um kurz vor zwölf, konnte die Tour durch Rimbeck beginnen.
Karfreitag Mittag machten die Ministranten ihre erste Runde, die Katholiken in Rimbeck an das traditionelle Angelus-Gebet (»Engel des Herrn«) zu erinnern. Ohrenbetäubender Lärm legte sich für eine Dreiviertelstunde über das ganze Dorf.
Mit dem Ratschen solle auch äußerlich dem Leiden und Sterben Christi am Karfreitag gedacht werden, erklärten Pastor Bernhard Nake (46) und Messdienerbetreuer Andreas Altemeier (40). »Mit Glockenklang wird immer ein freudiges Ereignis verbunden, darum ersetzt der traurige und unangenehme Klang der Klappern und Ratschen deren Geläut«, begründeten sie weiter.
Im Gegensatz zur protestantischen Lehre, die den Karfreitag als höchstes Freudenfest begeht, weil Jesus sich für die Menschen geopfert hat, gilt der Todestag Jesu bei den Katholiken als der größte Trauertag.
Auch zur Karfreitagsliturgie, die in allen katholischen Kirchengemeinden zeitgleich um 15 Uhr stattfindet, schwirren in Rimbeck zuvor die Messdiener mit ihren Krachmachern aus. Dieser Zeitpunkt entspricht nach der biblischen Überlieferung, der neunten Stunde im jüdischen Kalender. Diese wird als Jesus' Todesdatum angegeben.
Ein letztes Mal machten sich die Ministranten am Karfreitag abends um sechs Uhr auf den Weg, um erneut zum Angelus-Gebet zu rufen.
Seit wann dieser im Warburger Land sehr außergewöhnliche Brauch in der Elisabeth-Gemeinde schon gepflegt wird, ist nicht eindeutig geklärt. »Mindestens dreißig Jahre gehen die Messdiener aber bestimmt schon«, vermutete Küsterin Ursula Neimeier, die zusammen mit Andreas Alte-meier die Messdiener betreut.
Eine ganz andere Tradition verfolgen die Ministranten seit einigen Jahren im eigenen Interesse. Als am Karsamstag die Turmuhr zwölf zeigte und statt Glockenschlägen Klappern klopften, baten sie die Katholiken in Rimbeck um eine Spende für die Messdienerarbeit. Das Geld soll in diesem Jahr für einen Ausflug in den Heide-Park nach Soltau verwendet werden.
Auch Johannes Altemeier war am Samstag wieder mit vor der Partie. Diesesmal hatte er seine eigene Holzratsche mitgebracht. Mit zwei Freunden war er als Gruppe mit den Raddern in der Siedlung am Diemel-Sportplatz unterwegs.
In der Osternacht war dann auch in Rimbeck das Fasten für die Ohren vorbei. In der Messe entfalteten Glocken und Orgel zur Feier der Auferstehung Christi beim Gloria ihren vielfältigen und schönen Klang.

Artikel vom 29.03.2005