30.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Nach Sturz vom Gerüst im Rollstuhl

Chef vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Eduard K. wird nie wieder laufen können. Der Vater von zwei Kindern ist von der Hüfte abwärts gelähmt. Ein Arbeitsunfall hat den 47-jährigen Schweißer aus Borchen für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt.

Den Arbeitgeber machte die Staatsanwaltschaft Paderborn nun verantwortlich für den Unfall. Sie klagte Martin B. (40) wegen fahrlässiger Körperverletzung an.
Seine Firma hatte vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW den Auftrag für die Installation der Glasfassade an der neuen Kantine in der britischen Barker-Kaserne in Paderborn bekommen. Das Gerüst stellte eine Fachfirma aus den neuen Bundesländern auf, ein Sicherheitskoordinator wachte über die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften auf der Baustelle.
Doch auch er konnte das Unglück nicht verhindern. Eduard K. stürzte sechs Meter in die Tiefe und zog sich schwerste Rückenverletzungen zu.
Für die Aufstellung von Gerüsten gibt es ganz genaue Richtlinien: Bei einem Wandabstand von mehr als 45 Zentimetern müssen in 50 Zentimetern Höhe Knieholme und in einem Meter Höhe Brustholme angebracht werden. Weil nach Feststellungen des Amtes für Arbeitsschutz die Zwischenholme fehlten, habe sich der Arbeitgeber strafbar gemacht. Er sei grundsätzlich für die Sicherheit seiner Mitarbeiter verantwortlich.
»Ich kann doch nicht ununterbrochen auf der Baustelle aufpassen«, verteidigte sich Martin B. im Prozess vor dem Paderborner Amtsgericht. Wenn eine Sicherheitsfachkraft vor Ort sei und ein Fachbetrieb das Gerüst aufgestellt habe, dann könne dem Firmenchef kein strafrechtliches Verhalten angelastet werden, erklärte Verteidiger Walter Schäfers. »Es war ein tragisches Unglück, aber meinen Mandanten trifft wirklich keine Schuld.«
Staatsanwalt und Richter sahen es schließlich genau so - Martin B. wurde freigesprochen. Zumal sich während der Verhandlung noch herausgestellt hatte, dass vor dem Unglück auch noch die obere Sicherungsstange, weil sie offenbar hinderte, entfernt worden war. Wer das getan hatte, ließ sich nicht klären. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen den Sicherheitsbeauftragten. Der Absturz von Eduard K. war nicht der einzige Unfall auf der Barker-Baustelle: Wenige Wochen vorher war schon ein anderer Arbeiter vom Gerüst gefallen. Er ist ebenfalls querschnittsgelähmt.
Hätte das Gericht Martin B. verurteilt, wären auf ihn wahrscheinlich Regressansprüche in einer sechsstelliger Höhe zugekommen.

Artikel vom 30.03.2005