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Interpretation bewegte spürbar

Johannes-Passion in der Abdinghofkirche stimmte auf das Osterfest ein

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WV). Eine eindrückliche Einstimmung auf das Osterfest gelang den Mitwirkenden der BachÕschen »Johannes-Passion« Karfreitag in der Paderborner Abdinghofkirche.

In einer vorzüglichen Einstudierung dieses zweistündigen Oratoriums wurden die Leidensstunden Christi von der Gefangennahme über das Verhör bei Pilatus und die Kreuzigung auf Golgatha bis zur Grablegung musikalisch vergegenwärtigt. Abdinghof-Kantor Martin Hoffmann präsentierte eine sowohl in den volkstümlich-schlichten Chorälen als auch in den dramatischen Solopartien packend und ergreifend vorgetragene Interpretation des Bach-Werks, das die Zuhörer in der dicht gefüllten Kirche spürbar bewegte.
In bewundernswerter Frische sang der nur 15-köpfige Paderborner Kammerchor die vierstimmigen Choralpartien, wobei eine glückliche Ausgewogenheit der Stimmen den harmonischen Gesamtklang prägte. Nicht nur die erzählenden Partien im schlichten Kantatenstil überzeugten als inniges Glaubenszeugnis, auch die reflektierenden Choräle wussten als dramatische Kommentierung des biblischen Geschehens prägnante Akzente zu setzen, die in dem Chorsatz »Ruhet wohl, ihr heiligen Gebeine« ihrem ergreifenden Höhepunkt zustrebten.
Die Kammersolisten Am Abdinghof begleiteten den Chor in wohltuender Wahrung des Gesamtklangs. In Streichern und Bläsern, die im Wechsel die Stimmführung übernahmen, ausgewogen besetzt trug das Ensemble die BachÕsche Komposition farbig durch das biblische Karfreitags-Geschehen.
Einen ausgezeichneten Eindruck hinterließen auch die fünf Solisten, wobei sich die Besetzung von Ralf Emgen als »Ersatz« für den kurzfristig erkrankten John van Halteren als regelrechter Glücksgriff erwies. In der Rolle des Evangelisten imponierte der Tenor mit der »Jesus-Haarpracht« mit seiner stimmlichen Brillanz und beispielhaften Textverständlichkeit. An sängerischer Eleganz und Strahlkraft erreicht wurde er nur noch von Ulrike Wiedemann, deren modulationsfähiger Sopran für die Glanzpunkte der Aufführung sorgte. Volltönig, aber in der technischen Ausführung weniger effektiv, interpretierte Schirin Partowi ihre Alt-Arien. Ausdrucksstark agierte ein stattlicher Markus Krause (Bass) vor allem als Stimme des Pilatus, Hartmut Ernst (Bass) lieferte eine souverän-unauffällige Leistung als Interpret der Jesusworte.
Dem stillen Charakter des Feiertags entsprechend wurde das Publikum gebeten, am Schluss der Aufführung auf den hochverdienten Applaus zu verzichten. Alle Mitwirkenden durften dennoch einer überwältigenden Darbietung versichert sein.

Artikel vom 29.03.2005