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Mehr als Erinnerung

Gedenken an Opfer des Bombenangriffs auf Weserhütte

Von Silke Schade (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Karfreitag 1945, kurz vor ein Uhr mittags, die Sirene heult auf. Die Arbeiter springen hoch, nur wenige schaffen es in den Bunker. Bomben stürzen auf die Weserhütte, überall Hilferufe und Schreie, unzählige Verwundete, mehr als 200 Tote. Ihrer gedachten am 60. Jahrestag 170 Freunde und Angehörige auf dem Friedhof Mooskamp.

In der Kapelle liegt auf jedem Platz eine gelbe Osterglocke, versehen mit einem kleinen Schild, das den Namen eines der Opfer des Bombenangriffs auf die Weserhütte trägt. Günter Sander stutzt. Er selbst hatte als 14-Jähriger den Angriff überlebt. Jetzt, 60 Jahre später, erkennt er den Namen seines früheren Arbeitskollegen dort aufgeschrieben. »Ein bewegender Augenblick, da werden schreckliche Erinnerungen wieder wach«, flüstert der Besucher gedankenverloren.
»Ich bin überwältigt«, seufzt Heinrich Ovesiek (74). Er ist den Tränen nahe, als IKG-Schülerin Katharina Busse (16) zu Beginn der Gedenkfeier dessen selbstverfassten Zeitzeugenbericht rezitiert. Eindrucksvoll trägt sie vor, wie der damals 14-jährige Lehrling zu Boden gerissen, mit Schutt zugedeckt wurde und nur noch seinen Kopf bewegen konnte. Zum Glück schaffte es eine Kollegin, ihn zu befreien und in den Keller zu tragen. »Das Heulen und Rauschen der niedergehenden Bomben werde ich nie vergessen.«
Fast wie ein nachträglicher Hilfeschrei klingt anschließend der Psalm von Pfarrer Alfons Runte, in dem es heißt: »Errette mich von meinen Feinden!« Die Zuhörer empfinden so in Gedanken das Inferno nach. Nachdenklichkeit drückt wie eine schwere Wolke von der Decke herab auf die Köpfe der Gemeinde. Die dunklen Töne der Orgel spiegeln die Traurigkeit wider.
Umso eindringlicher die Ansprache der stellvertretenden Bürgermeisterin Gisela Kaase, die neben den Opfern aus dem hiesigen Raum auch die 99 ums Leben gekommenen Zwangsarbeiter in das Gedenken einschließt. »Wenn wir einen Sinn in den Opfern suchen, die der Karfreitag 1945 gebracht hat, so kann es nur dieser sein: Nie wieder Krieg!« Sie hält Städtepartnerschaften für grundlegend, um »Vorurteile abzubauen und Freundschaften zu bilden.« So sei es kein Zufall, dass Bad Oeynhausen partnerschaftliche Beziehungen zu Fismes (Frankreich), Wear Valley (Großbritannien) und Inowroclaw (Polen) pflege. Diese Städte liegen in Ländern, die den Deutschen im Zweiten Weltkrieg als Feinde gegenüberstanden.
Hoffnung auf Leben versprühen die Posaunenchöre: »Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt, bleibe uns ein Zeichen, wie das Leben siegt.« Pfarrer Bernhard Silaschi bittet mit dem Gebet »Vater, vergib!« um Befreiung von den Sünden.
Nach dem Gottesdienst zieht die Trauergemeinde zum Mahnmal. Als Zeichen zur Auferstehung legen die Angehörigen eine Osterglocke nieder. Schüler des IKG stellen einen Kranz auf. Eine Minute lang halten alle inne. Und während der Wind die Bänder am Kranz wiegt, fliegt nur sie nicht davon: die Erinnerung an die Opfer des Karfreitags 1945.

Artikel vom 29.03.2005