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Eine »gewaltige Detonation« gehört

Sprengung der Weserbrücke - Gerhard Wattenberg und Erich Kampmeier erinnern sich

Von Hartmut Horstmann
Vlotho (VZ). An das Osterfest vor 60 Jahren können sich die Vlothoer Gerhard Wattenberg und Erich Kampmeier genau erinnern. Als junge Soldaten hatten sie Schützenpanzerwagen von Herford in den Bückeburger Wald zu fahren. Denn die Amerikaner kamen. Der Krieg war verloren, ein einsichtiger Vorgesetzter schickte die beiden nach Hause. Als sie Vlotho am 3. April zu Fuß erreichten, hörten sie eine »gewaltige Detonation«: Die Weserbrücke war gesprengt worden.

60 Jahre Kriegsende: Viel haben die beiden Freunde, die sich seit mehr als sechs Jahrzehnten kennen, über die damaligen Ereignisse gesprochen. Die Erkenntnis, »als junger Mensch von einem verbrecherischen Regime missbraucht worden zu sein«, sei erst nach dem Krieg gekommen, sagt Wattenberg. Als 17-Jähriger habe er auch nicht über Sieg oder Niederlage nachgedacht: »Wir hatten das Gefühl, dass wir als Soldaten gebraucht wurden. Das war entscheidend.«
Später wurde der Blick für die Greueltaten des Regimes geschärft, in der Gefangenschaft hörte er nach eigenen Angaben erstmals von der Existenz von Konzentrationslagern.
Doch der Reihe nach: Die beiden Vlothoer, Jahrgang 1926, wurden Anfang 1944 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Später folgte eine Ausbildung zum Panzerfahrer, nach dem Ende der Ausbildung wurden sie in der zweiten Jahreshälfte 1944 in Bielefeld-Oldentrup stationiert. Dort befand sich ein Panzer-Nebenwerk.
Einige Wochen vor Ostern wurden sie schließlich nach Herford versetzt - unter anderem, um als Fahrer Schützenpanzer von der Bad Oeynhausener Weserhütte nach Herford in einen Wald am Stukenberg zu bringen.
Doch die Alliierten kamen näher auf ihrem Weg in Richtung Berlin. Am Karfreitag, dem Tag, als die Weserhütte bombardiert wurde, erhielten die beiden Vlothoer und der Rest der Truppe die Direktive, die Fahrzeuge in einen Wald bei Bückeburg zu fahren. Ein letzter verzweifelter Versuch, irgendetwas zu retten, doch am Ostermontag (2. April 1945) war alles vorbei. »Wir fuhren unsere letzte Tour«, sagt Erich Kampmeier. Sie übernachteten im Wald, und am 3. April sagte der Zugführer, der wusste, dass die beiden jungen Soldaten aus der Nähe stammten: »Geht nach Hause. Es ist nichts mehr zu retten.«
Im Schützenpanzer machten sich die Freunde auf den Weg in Richtung Vlotho. Ein deutscher Soldat, der die Aufgabe hatte, Flüchtige ausfindig zu machen, wollte sie beim Passieren der Brücke in Rinteln anhalten. Eine gefährliche Situation, doch für Kampmeier, der am Steuer saß, gab es keine Wahl: »Ich bin einfach weitergefahren. Der Mann musste zur Seite springen.«
In einer Kuhle in Vlotho stellten sie den Schützenpanzer ab, um dann zu Fuß zum Haus der Familie Wattenberg auf dem Winterberg zu gehen. In einem Waldstück hörten sie plötzlich eine »gewaltige Detonation«. »Ich wusste sofort, dass irgendetwas mit der Brücke passiert ist«, einnert sich Kampmeier. Dass es die Deutschen waren, die die Verbindung über die Weser in die Luft gesprengt hatte, ahnte er damals noch nicht.
Aus Angst, von den Alliierten erwischt zu werden, übernachteten sie bei Wattenbergs einige Tage im Keller, anschließend trennten sich die Wege der beiden Freunde vorerst. Es folgten Gefangenschaft und Heimkehr, wobei Gerhard Wattenberg vergleichsweise früh (Juli/August 1945) zurückgekehrt war. Anders sah es bei Kampmeier aus, der mit den Kriegsgefangenenlagern der Franzosen Bekanntschaft machte: »1948 kam ich nach Hause.«
Vor zehn Jahren anlässlich des 50-jährigen Kriegsendes wurde die Frage gestellt, ob es sich beim Kriegsende um eine Befreiung oder einen Zusammenbruch gehandelt habe. Wattenberg meint dazu: »Es war der Zusammenbruch eines verbrecherischen Regimes.« In seiner Familie habe neben aller Unsicherheit eine große Erleichterung vorgeherrscht: »Endlich waren die Nazis weg.«

Artikel vom 25.03.2005