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Anschlagtafeln reichten nicht

Militärregierung überschwemmte Stadt mit Verordnungen

Von Klaus Peter Schillig
Halle (WB). Erst allmählich kehrten wieder geordnete Verhältnisse, Recht und Ordnung zurück. Die eingerückten Truppen bekamen die Lage in den Griff, zunächst die Amerikaner, dann die nachrückenden Engländer, deren Militärregierung auch die Menschen im damaligen Kreis Halle unterstanden.

Kreis- und Amtsverwaltung in Halle wurden fortan von einer Fülle von Verordnungen, Proklamationen, Gesetzen und Bekanntmachungen überschwemmt, um wieder demokratische Prinzipien und eine funktionierende Verwaltung zu sichern.
Wer ein Auto zulassen wollte, bekam jetzt das neue Kennzeichen »MIN« für den Regierungsbezirk Minden. Die Kennzeichen hatte schwarze Schrift auf weißem Grund zu tragen, auch die Größe der Buchstaben war genau vorgeschrieben. Beschränkt wurde auch der freie Geldverkehr: Monatlich durfte eine Familie höchstens 300 Reichsmark vom Konto überweisen oder abheben.
Die gesammelten Eingangsbelege im Haller Stadtarchiv weisen vor allem den 14. September als tag aus, an dem eine wahre Flut von Verordnungen über die Stadt hereinbrach. 30 Abdrucke über die »Regelung öffentlicher Aussprache und anderer öffentlicher Tätigkeiten, 35 Abdrucke zu »Öffentlichen unpolitischen Versammlungen«, 40 zu »Politischen Versammlungen«, 25 zu »Öffentlichen Umzügen«, 15 zur »Bildung von politischen Parteien«, 24 zu »Militärischen Uniformen und Abzeichen«, fünf zu »Sachen der Allierten Streitkräfte« oder 18 zu »Verbrechen und anderen strafbaren Handlungen«.
Schwerarbeit für Amtsbote Brune, der die Bekanntmachungen im ganzen Stadtgebiet aushängen musste - und zwar so, dass sie nicht den Unbilden des Wetters ausgesetzt waren. Klar, dass da auch der Platz knapp wurde. Wer etwas weiter blättert im Archiv, stößt auf einen Hilferuf aus dem Rathaus. Dem Landrat wird mitgeteilt, dass die Anschlagtafeln im Rathaus nicht mehr reichen und man deshalb beim Tischler Thomas zusätzliche bestellt habe. Außerdem habe man mit dem Schuhhaus Gosebrink Einigung erzielt, wonach man eins der Schaufenster für Aushänge benutzen könne, sobald das zerstörte Glas ersetzt sei.

Artikel vom 25.03.2005