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Themen, die nah am Leben sind

LZ fragt nach: Welchen Stellenwert hat Religions-Unterricht bei Schülern ?

Von Lars Rohrandt (Tex und Foto)
Löhne-Mennighüffen (LZ). In Paderborn verbieten Eltern aus religiösen Gründen Kindern den Schulbesuch, über die Einführung von Islam-Unterricht wird kontrovers diskutiert. Schule und Religion - dieses Paar scheint reichlich Konfliktpotenzial zu bieten. Doch wie sieht heutzutage eigentlich der evangelische und katholische Religionsunterricht aus? Die LÖHNER ZEITUNG fragte an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule nach.

»Der Religionsunterricht lebt von der Offenheit, von den unterschiedlichen religiösen Erfahrungen der Schüler«, sagt Axel Davidheimann. Schließlich nehmen sowohl Schüler, die in der Gemeinde aktiv sind, am Unterricht teil, als auch Schüler, die offen sagen, sie hätten mit Religion nichts am Hut. »Mit der reinen Kirchenlehre sind die Jugendlichen nicht zu erreichen«, sagt der 41-jährige Oberstufenleiter der Gesamtschule, der Religion und Latein unterrichtet. Im Unterricht werden daher Themen, die möglichst nah dran sind an der Lebenserfahrung der Schüler, sowohl theologisch als auch philosophisch-weltlich behandelt. Korrelationsdidaktik sagt der Fachmann dazu.
Bei den Schülern, die in einem Reli-Kursus der elften Jahrgangsstufe von Axel Davidheimann sind, kommt dieses Konzept gut an. »Wer bin ich?«, lautet hier die Frage, um die sich alles dreht. Die 17- bis 19-Jährigen haben Gedichte von Dietrich Bonhoeffer und Peter Handke gelesen. »Literatur und Religion stellen die gleiche Frage: Was ist der Sinn des Lebens?«, sagt der 17-jährige Andreas Begemann.
Das Denken von Menschen, die zu verschiedenen Zeiten lebten und sich in verschiedenen Lebenssituationen befanden, kennenzulernen, reizt Daniel Schumacher (17) am Religionsunterricht. Für Susanne Wycislo (19) ist es aber genau so wichtig, dass im Unterricht Fragen an die Bibel kompetent geklärt werden. Dies unterscheide sich aber deutlich vom Religionsunterricht in Russland, wie sie ihn erfahren habe, ergänzt Elena Link (17). »Dort haben wir uns fast nur mit der Bibel beschäftigt. Weitergehende Fragen wurden nicht gestellt.«
In den fünften Klassen stehe beispielsweise während der Osterzeit das Thema »Von der Passion zur Auferstehung« auf dem Programm, sagt Lehrerin Laila Preuße. Hierzu gebe es stets mit einer Löhner Gemeinde einen Projekttag. »Die Schüler gehen dann in die Kirche und auf den Friedhof.«
Für Preuße ist es auch wichtig, traditionelles christliches Wissen zu vermitteln, das nicht mehr selbstverständlich mit in die Schule gebracht wird. Welche Feste und Feiertage gibt es? Wie verhält man sich in der Kirche? Dies seien Fragen, die Schüler vielfach nicht mehr zu beantworten wüssten.
Wer nicht am Religionsunterricht teilnimmt - diese Schüler sind überwiegend islamischen Glaubens oder konfessionslos - hat von der fünften bis zur zehnten Klasse die Möglichkeit, muttersprachlichen Unterricht oder Ersatzunterricht zu wählen, erklärt Davidheimann. In der neunten und zehnten Klasse werde Praktische Philosophie angeboten. In der Oberstufe könne Religion durch Philosophie ersetzt werden.
Doch auch Schüler, die nicht evangelisch oder katholisch sind, nehmen zum Teil am Reli-Unterricht teil. Im Elfer-Kursus von Davidheimann sind es vier. Einer von ihnen ist Ömer Güney. »Ich bin Jeside«, erzählt der 17-Jährige. »Ich finde es interessant, über andere Religionen zu sprechen.« Daher habe er auch keinen Grund gesehen, in der Oberstufe zum Philosophie-Unterricht zu wechseln. Schließlich sei er bereits seit der fünften Klasse mit dabei. »Mir ist Philosophie einfach zu abstrakt«, sagt dagegen Susanne Wycislo, die großes Interesse am Reli-Untericht hat.
Das Fach Religionslehre sei an der Gesamtschule gut vertreten, sagt Axel Davidheimann. Zehn Lehrer sorgen dafür, dass kein Unterricht ausfällt. Das Fach werde in allen Jahrgangsstufen angeboten, soweit möglich konfessionell getrennt.
Sein jetziger Elfer-Kursus stellt sich im kommenden Schuljahr folgende Frage: »Ist Jesus gescheitert? - Reich-Gottes-Botschaft und ihre Bedeutung für unsere Zeit«. Und, um aus der Schule herauszukommen, werde überlegt, zwischen der Oberstufe und dem Wittekindshof ein Projekt »Freiwillige Helfer« aufzubauen, erzählt Davidheimann. Diese Idee sei den Schülern gekommen, als sie über Menschen mit Behinderung gesprochen haben. Der christliche Glaube sei nun mal keine rein theoretische Angelegenheit - auch nicht in der Schule.

Artikel vom 25.03.2005