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Die Angst vor Bomben
war allgegenwärtig

Erinnerungen an schwärzeste Stunden Paderborns

Von Rüdiger Kache (Text und Foto)
Paderborn (WV). »Irgendwo, tief drinnen, saß immer diese Angst. Sie kroch unaufhaltsam hoch am Morgen und wich erst nach Mitternacht, wenn Entwarnung kam...« Es war ein Sprung wie in einer Zeitmaschine, die Zeitzeugen bei der Gedenkfeier zurück katapultierte ins Frühjahr 1945, als die alte Domstadt im Inferno der Bombenangriffe unterging.

Und sie schämten sich ihrer Tränen nicht, als Augenzeugenberichte zur Erinnerung an den Abend des 22. März (neben dem 17. Januar und dem 27. März einer der Schicksalstage Paderborns) verlesen wurden. Es war mucksmäuschenstill im Rathaussaal. Persönliche Erinnerungen, als Gegensatz dazu der sachliche, Protokollen entnommene Text der Luftwaffendienststellen. Einfühlsam und aufrüttelnd zugleich, wie Sirenen auf- und abschwellend, monoton, die musikalische Begleitung durch ein einzelnes Akkordeon.
Kein Zweifel, diese Gedenkstunde hat 60 Jahre des Wiederaufbaus, der Prägung hin zu einer modernen, jungen Stadt noch einmal für zwei Stunden vergessen lassen und führte fast schon visuell ins Inferno: In Luftschutzkellern kauernde verängstigte Menschen, lang in einem Graben hingestreckt der Radfahrer, der es nicht mehr in den Schutzraum geschafft hatte. Lodernde Flammen, Tote, verlorenes Hab und Gut, das nackte Leben. Trauer, aber kein Wort von Haß. Erinnerungen: tiefe Verzweiflung, hoffnungssuchende Gebete, Bangen um Vermisste - aber auch die Hilfsbereitschaft, in der Not den Nachbarn beizustehen.
Vorgetragen von Ann-Britta Dohle, Emilia Sternel, Hans Gilbert Reuß und Manfred Schlaffer, begleitet von Rene Madrid am Akkordeon, machten diese Zeitzeugenberichte betroffen.
Ein durch eine Grippe sichtlich gezeichneter Bürgermeister Heinz Paus gab einige sehr persönliche Erinnerungen preis, die er, obwohl später geboren, mit dem 22. März 1945 verbindet: Am Morgen hatten Bomber auch seinen Heimatort im Münsterland zerstört. Dabei kamen der erste Mann seiner Mutter und deren beiden Söhne ums Leben. »Meine Brüder«, sagte Paus, in dessen Familie seither der 22. März immer ein ganz besonderer Gedenktag war. So wie in vielen Paderborner Familien.
Beim Verlassen des Rathauses Schweigen, dann die Zäsur: Lichter, fröhliche Menschen, Musik. Es sind nur 60 Jahre, die zwischen diesen Bildern liegen. Und doch erscheint es, als stammten sie aus einer ganz anderen Welt.

Artikel vom 24.03.2005