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Den Tod eiskalt
einkalkuliert

Britischer Bombenterror im März '45

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Mit dem Buch »Der Tag, an dem Paderborn unterging« ist gestern die bislang vollständigste Dokumentation über den Bombenkrieg in der ostwestfälischen Domstadt vorgestellt worden.

Der Bielefelder Historiker Dr. Hans-Jörg Kühne (45) hat für seinen im Wartberg-Verlag (64 Seiten, 17,80 Euro) erschienenen Bildband nach neuen Quellen gesucht und diese vor allem in den Archiven der Alliierten gefunden. »Ich hatte Zugang zum Dokumentationsmaterial, das unter anderem im Public Record Office und im Imperial War Museum in London verwahrt wird«, berichtete der Autor bei der Buchpräsentation im Büro des Bürgermeisters (das WV hat das Werk bereits am Dienstag ausführlich gewürdigt). In den Archiven fand er exakte Daten über die Anzahl der eingesetzten Flugzeuge, über das an Bord befindliche Sprengmaterial sowie die angegriffenen Ziele.
»Zum Ende des Krieges war die Technik der Bombardierung unheimlich ausgereift«, erläutert Kühne. So habe der letzte schwere Bombenangriff auf Paderborn am 27. März 1945 eine genau kalkulierte zerstörerische Präzision besessen. Die in vier Angriffswellen erfolgte Bombardierung habe zunächst mittels Sprengbomben die Straßen und die Versorgungsleitungen in der Innenstadt aufgerissen, bevor schwere Luftminen großflächig dafür gesorgt hätten, dass Dächer abgedeckt und Fenster aus den Hauswänden herausgedrückt worden seien. Die so erzeugte »Kaminwirkung« habe dazu geführt, dass die in einer dritten Welle abgeworfenen Brandbomben eine verheerenden Feuersbrunst auslösen konnten, die dadurch noch intensiviert wurde, dass mit Zeitzündern versehene Sprengbomben die Löscharbeiten verzögerten. Die britische Luftwaffe habe dabei billigend in Kauf genommen, dass unschuldige Bewohner in den Luftschutzkellern eingeschlossen sowie unerträglicher Hitze und tödlichen Kohlenmonoxid-Vergiftungen ausgesetzt worden seien.
Als außerordentlich fruchtbar bezeichnete der Autor die Auskunftswilligkeit der Paderborner. »Nach einem entsprechenden Aufruf an Zeitzeugen, sich zu melden, stand bei mir das Telefon nicht mehr still«, erzählt Kühne. »Auch gingen sehr viele schriftliche Berichte ein. Die Schilderungen aus Paderborn waren dabei oft viel krasser als aus anderen bombardierten Städten.«
Der Wartberg-Verlag aus Gudensberg bei Kassel hat das Kriegsende in mehreren deutschen Städten - darunter auch in einem ebenfalls von Kühne verfassten Buch über Bielefeld - dokumentiert. Erschienen ist unter anderem ein Bildband »Kriegsende an Rhein, Ruhr und Weser« als Begleitbuch zu einer dreiteiligen WDR-Fernsehsendung, die im April ausgestrahlt wird.

Artikel vom 24.03.2005