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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Eckhard Teismann


Morgen ist Palmsonntag. Dieser Sonntag vor Ostern war in früheren Jahrzehnten der klassische Konfirmationstermin, so auch in Mahnen. Bei der Konfirmation vor 60 Jahren aber war alles anders als sonst, denn in der Woche zuvor hatte Löhne gebrannt. Der Bombenangriff auf den Bahnhof traf neben vielen weiteren Gebäuden auch die Kirche von Mahnen. In den Erinnerungen vieler Löhner ist gerade der wie eine Fackel brennende Kirchturm zu einem Symbol dieses Angriffs und seiner Folgen mit 130 Toten geworden. So musste die Konfirmation am Palmsonntag um 8 Uhr morgens in der Gohfelder Kirche stattfinden. Auch in der Schar der Konfirmanden fehlten einige, die den Angriff nicht überlebt hatten.
Ich bin der Überzeugung, dass wir solche Momente des Gedenkens auch in Zukunft brauchen. Als erstes, um die Opfer in Löhne und in den vielen anderen zerstörten Städten von Coventry über Stalingrad bis Dresden nicht der Statistik zu überlassen. Menschen sind gestorben, von denen jeder einzelne unverwechselbar war. Vor Gott, der sie ins Leben rief, sind sie mehr als eine Nummer in der Statistik.
Es kann Raum sein für Klage und Erschrecken. In dieser Klage und diesem Gedenken stehen wir in Löhne nicht allein und es ist gut, wenn die im Bahnhof nun angebrachte Gedenktafel auch an die anderen Opfer des Krieges mit erinnert.
Als drittes können wir mit dem Gedenken an das Vergangene nun auch die Zukunft anders gestalten. Wir können besser den Wert des Friedens und der Versöhnung erkennen.
Als in der Nacht vom 14. zum 15. November 1940 die englische Stadt Coventry von 500 Flugzeugen der deutschen Luftwaffe elf Stunden lang bombardiert wurde, ging auch die mittelalterliche Kathedrale in Flammen auf. 550 Menschen fanden den Tod. Sechs Wochen später sprach der Propst der Kathedrale in einem im Rundfunk übertragenen Weihnachtsgottesdienst vor dem Turm der zerstörten Kathedrale die Worte: »Weil Christus heute in unseren Herzen wiedergeboren wird, versuchen wir - so schwierig das sein mag - alle Gedanken an Vergeltung zu verbannen.« Es begann ein von Coventry ausgehendes weltweites Versöhnungswerk zu entstehen. Symbol für dieses Werk ist ein Kreuz, das aus drei handgeschmiedeten Zimmermannsnägeln zusammengesetzt wurde. Ein solches Symbol der Versöhnung wurde auch am 13. Februar diesen Jahres der Frauenkirche in Dresden überreicht. Auch die Kirchengemeinde Mahnen hat durch einstimmigen Beschluss des Presbyteriums entschieden, sich dieser Nagelkreuzgemeinschaft anzuschließen.
Aus Verzweiflung wächst Hoffnung, aus Hass Vergebung, aus dem Tod Leben. Gott schenkt es uns in Jesus Christus. Das ist die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens.
Dietrich Bonhoeffer, der vom Dritten Reich ermordete Theologe hat diesen Glauben so formuliert: »Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dazu braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. ... In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.«
Als solche Menschen lasst uns des vergangenen Leids gedenken, als solche Menschen lasst uns aber auch nach vorn blicken in eine Zukunft, in der Hass und Gewalt nicht das letzte Wort haben. Lassen wir uns in diesen Dienst nehmen, dann wird Gott mit uns sein.

Artikel vom 19.03.2005