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Auch Ärzte sind nur Menschen

Krebs nicht erkannt: Patient tot

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Helmut R. wurde nur 58 Jahre alt. Er starb vor zwei Jahren an Lungenkrebs. Weder ein Lungenfacharzt noch ein Radiologe hatten das Karzinom erkannt. Trotzdem bekommt seine Witwe nur 2500 Euro Schmerzensgeld.

Das Schicksal des Mannes aus Paderborn ist tragisch. Bereits in den 90er Jahren erkrankte er erstmals an Krebs. Die Ärzte entfernten damals einen Lungenflügel und eine ebenfalls befallene Lymphdrüse. Helmut R. lebte in der Hoffnung geheilt zu sein. Eine trügerische Annahme, denn die heimtückische Krankheit kam zurück. Ein Rezidiv, die Lunge ist erneut befallen, auch auf andere Organe hat der Krebs bereits übergegriffen. So lautete im Mai 2002 die Diagnose, die für den Patienten und seine Ehefrau die Welt zusammenbrechen ließ. Denn Helmut R. wog sich in scheinbarer Sicherheit. Regelmäßig hatte er sich untersuchen, noch im August 2001 eine Computertomographie (CT) machen lassen, ohne dass der Arzt etwas fanden.
»Bei der gebotenen Sorgfalt hätte ein Fachmann den Krebs erkennen müssen«, meint der Bad Lippspringer Patientenanwalt Olaf Schmitz. Er vertrat die Witwe bei ihrer Klage gegen den Radiologen.
Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn zog drei medizinische Gutachter zur Klärung heran. »Den Tumorbefund konnte man durchaus übersehen, ohne dass dem Arzt ein Vorwurf zu machen ist«, erklärte ein Chirurg. »Es gibt auf der ganzen Welt keinen Arzt, der immer alles richtig macht.« Die Patienten müssten sich von ihrem viel zu hohen Anspruchsdenken lösen.
Und selbst wenn der wieder aufgetretene Krebs früher erkannt worden wäre, hätte es für Helmut R. wahrscheinlich keine Rettung gegeben. Bei einem Rezidiv seien die Heilungschancen gleich null, war die übereinstimmende Einschätzung aller drei Experten. Mehr als eine sechs- bis zehnwöchige Lebensverlängerung durch Chemo- oder Strahlentherapie wäre kaum möglich gewesen. »Und das auch nur unter Inkaufnahme einer erheblich verminderten Lebensqualität.«
»Selbst wenn die Ärzte alles richtig gemacht hätten, wäre die Krankheit ähnlich tragisch verlaufen«, so das Fazit von Richter Rudolf Kamp. Auf seinen Vorschlag erklärte sich der beklagte Röntgenarzt zur Zahlung eines symbolischen Schmerzensgeldes ohne rechtliche Verpflichtung bereit.
LG Paderborn, Az.: 3 O 277/03

Artikel vom 22.03.2005