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Blume von Hawaii trifft schönen Gigolo

Gefeierte Premiere in der »Bar zum Krokodil«

Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). In dem langen Jahrzehnt zwischen Kaiserreich und Hitler-Diktatur befreite sich die Nation von alten Zöpfen. Auf einmal waren Lieder möglich wie »Raus mit den Männern aus'm Landtag« und auch Albernheiten wie »Ausgerechnet Bananen« wurden gesungen. Zu einem musikalisch-vergnüglichen Streifzug durch diese ebenso liberalisierte wie chaotische Zeit luden die Kammerspiele in »Die Bar zum Krokodil« ein.

Der Chanson-Fundus jener Jahre ist schier unerschöpflich, 33 sehr bekannte Melodien hat der Theatermann Reinhard Deutsch zu einem abendfüllenden Programm zusammengefügt. Da lädt die »fesche Lola« die Herren ein ins Separée und der »schöne Gigolo« lässt sich von vornehmen Damen für jeden Tanz bezahlen. Die Nummernfolge findet natürlich auf einer Theaterbühne statt, nur die Künstler sind ungewohnt. Da der Herr Direktor mit der Kasse durchgebrannt ist und die Sänger deshalb zu Hause bleiben, retten Putzfrau und Blumenmädchen, Garderobiere und Kellner das Programm und das Publikum kann sitzen bleiben.
So fängt der Abend ein wenig lahm an, bis sich das Hauspersonal endlich zu dem Entschluss: »Die Show muss weitergehen«! durchringt. Acht weder schauspielerisch noch gesanglich talentierte Niemande werfen Schürze und Bauchladen zur Seite und staksen knödelnd und kieksend über die Bretter. Es ist zum Piepen, wie sich das Ensemble um Nicht-Professionalität bemüht, begleitet von einem großartigen und laut Regieanweisung versoffenen Pianisten namens Gerhard Gemke. Nummer für Nummer spielt sich das zusammengewürfelte Ensemble frei und es macht zunehmend Spaß, zuzuschauen und zuzuhören.
Regisseurin Helga Wolf lässt ein Feuerwerk an guten Ideen auf das Krokodilbar-Publikum niederregnen. Jedes Lied wird als szenische Miniatur präsentiert mit neuen Kostümen und Requisiten - man kann sich die Hektik hinter der Bühne ungefähr vorstellen. Da besingt der Conferencier in einer Nosferatu-Maske die »Blume von Hawaii«, während die Mädels im Hintergrund »Aloha he« schmachten, bis sich der Kellner im Vampir-Kostüm dazu gesellt und mit Nosferatu den »guten Freund« besingt. Plötzlich trabt ein Mongolenpferd auf die Bühne und die Toilettenfrau träumt sich nach »Tamerlan«. Das Zigarettenmädchen mutiert zum männermordenden Vamp (»Ich bin von Kopf bis Fuß«) und die scheue Garderobiere outet sich als »Kleptomanin«.
So geht es in raschem Wechsel, dass dem Publikum fast schwindlig wird. Christian Onciu, Sven Reese, Birgit von Rönn, Cornelia Schönwald, Ariane Senn, Kerstin Westphal, Julika Wagner-Hohenlobbese und Isabel Zeumer wirbeln singend und tanzend über die Bühne, mal mit Telefon auf dem Kopf (»Süße Klingelfee«), mal mit Bananen an den Hüften und haben selbst soviel Spaß an dem verrückten Varieté, dass das Publikum mitgerissen wird. Es amüsiert sich und spendiert reichlich Zwischenapplaus.
Glanznummern sind der russische Zungenbrecher »Tschaikowsky« und der Berliner Gassenhauer »Ach Gott, was sind die Männer dumm«. Und wenn zum Finale das ganze Ensemble mit Veronika den Lenz begrüßt und »Das gibtÕs nur einmal« singt, dann könnte die Show immer so weiter gehen, auch wenn die stimmlichen Qualitäten der Acht nicht jeden Wunsch erfüllen.

Artikel vom 21.03.2005