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War Ostkämper nur
ein »Strohmann«?

Zivilprozess lässt noch viele Fragen offen

Von Wolfgang Wotke
Bielefeld/Gütersloh (WB). Fünf Jahre nach der Pleite des alten FC Gütersloh hat jetzt die Vergangenheit den früheren Vorstand eingeholt. Seit gestern streiten sich die beiden ehemaligen Vorsitzenden Dr. Jürgen Krämer und Dr. Karl Meis sowie Ex-Schatzmeister Jürgen Ostkämper vor dem Landgericht Bielefeld um nicht abgeführte Lohnsteuer. Ein Urteil wird es frühestens heute geben.

Die Kernfrage dieses Zivilprozesses heißt: »Wer war für die steuerliche Abwicklung im Verein verantwortlich?« (wir berichteten) Das muss jetzt die 6. Zivilkammer unter dem Vorsitz von Richter Dr. Reiner Ruhe des Bielefelder Landgerichtes entscheiden. Das Finanzgericht in Münster hatte kürzlich festgestellt, dass für die nicht abgeführten Lohnsteuern in Höhe von 319 000 Mark der damals amtierende Vorstand verantwortlich sei. Wer letztendlich zahle, müsse ein Zivilgericht urteilen.
Ex-Präsident Dr. Jürgen Krämer akzeptierte die Entscheidung und zahlte prompt ein Drittel der Summe, also umgerechnet 55 589 Euro an das Finanzamt Gütersloh. Für den Rest, so seine Argumentation, müssten Dr. Karl Meis als sein damaliger Stellvertreter und der Ex-Schatzmeister Jürgen Ostkämper gerade stehen. Für Meis und Ostkämper ist das aber auf keinen Fall akzeptabel. Sie klagten und begründeten ihren Einspruch damit, dass der gesamte finanzielle Ablauf des früheren Zweitligisten nur in den Händen von Dr. Krämer lag. Dr. Karl Meis: »Ich war nicht unterschriftberechtigt und habe auch nie einen Einblick in die Finanzen bekommen. Dr. Krämer war der Chef im Ring.«
In der Ruhe liegt die Kraft, und so versuchte Richter Dr. Reiner Ruhe mit Besonnenheit und wohl dosierter Ironie Licht in das Dunkel der Vereinsstruktur zu bringen. Er hörte gestern mehrere Zeugen, insbesondere aus dem ehemaligen Aufsichtsrat des Clubs, der laut Geschäftsordnung und Satzung eine Kontrollfunktion ausüben sollte. Er musste jedoch feststellen, dass die Geschäftsordnung zu fast keinem Zeitpunkt umgesetzt wurde.
Die Zeugen Hans Kochjohann (67), Fritz Rogge (79), Klaus Eusterhus (67), Dr. Klaus Wigginghaus (60), Ex-FCG-Buchhalter Hendrik Wiehl (42) und Dr. Manfred Niewiarra (66) sagten einhellig aus, dass die finanziellen Geschicke in erster Linie nur von Dr. Krämer geleitet wurden. Kochjohann, Eusterhus und Rogge versicherten, dass Jürgen Ostkämper nur dazu »missbraucht« wurde, um als zweiter Unterschriftengeber zu fungieren. Nur so sei der Verein handlungsfähig gewesen. Ostkämper, der bereits vor Jahren aufgrund einer Krankheit seinen Beruf als Oberinspektor beim Fiskus aufgeben musste, bestritt energisch, jemals in die Finanzpolitik integriert worden zu sein. Er habe nur die Schiedsrichter betreut und Karten verkauft. »Wie sollten wir uns wehren?«, fragte Dr. Karl Meis. Der Präsident habe stets in den Aufsichtsratssitzungen erklärt, der Verein sei nicht pleite. Dr. Jürgen Krämer konterte: »Ich habe nur das weitergeben, was mir unsere Wirtschaftsprüfer mitgeteilt haben.«

Artikel vom 18.03.2005