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Schülerinnen angefasst
- Geldstrafe verhängt

Keine Gerichtsverhandlung zum Schutz der Mädchen

Steinhagen/Halle (fn). Als Oberstaatsanwalt Franz-Josef Weber gestern vor dem Haller Amtsgericht den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung stellte, ging es ihm vor allem darum, die möglichen Opfer zu schützen. Denn der Vorwurf, der im Raum stand, hatte es in sich: sexuelle Übergriffe an Kindern.

Vor drei Jahren soll ein damals 22-jähriger Steinhagener zwei zehnjährige Schülerinnen auf einer Klassenfahrt unsittlich angefasst haben. Bei dem Schullandheimaufenthalt des Bielefelder Ratsgymnasiums auf Langeoog soll es bei zwei Besuchen eines Freizeitbades zu insgesamt drei Übergriffen gekommen sein. Markus Z. (alle Namen von der Redaktion geändert), der als ehemaliger Schüler des Gymnasiums die Fahrt begleitete, soll Lena oberhalb des Badeanzugs an die Brust gefasst und zugedrückt haben. Darauf habe er sich im Wasser neben sie gestellt und ihr erneut an die Brust gefasst. Das Mädchen tauchte dann unter und schwamm weg. Die zweite Schülerin gab zu Protokoll, der 22-Jährige sei ihr im Strömungskanal gefolgt und habe ihr zwischen die Schenkel gefasst.
Die Eltern beider Schülerinnen waren als Nebenkläger zugelassen. Ihren Anwältinnen ging es vor allem darum, dass die Mädchen keine erneute Aussage in dem Fall machen mussten. Sie wollten zudem eine Verurteilung des Angeklagten erreichen.
Markus Z. nahm nicht an der Verhandlung teil, und so erließ Richter Michael Hunke einen Strafbefehl, der die drei angeklagten Übergriffe mit einer Geldstrafe von 1800 Euro belegte. Der Anwalt des Studenten wollte auch für seinen Mandanten keine Aussage um jeden Preis, vor allem aber auch vermeiden, dass durch einen Eintrag ins Führungszeugnis die berufliche Laufbahn von Markus Z. - der keinen Lehrberuf anstrebt - belastet wird. Das Urteil wird auch diesem Interesse gerecht.
Problematisch für das Gerichtsverfahren hatte sich die lange Zeit zwischen Anzeige (26. April 2002) und der Anklageerhebung ausgewirkt. In dieser Zeit hatte es nur unzureichende Ermittlungsarbeit gegeben, waren etwa weitere Zeugen nicht vernommen worden. Auch hielt es das Gericht für unglücklich, dass den Umständen der Anzeigeerstattung nicht nachgegangen worden war: Nach Aktenlage hatte nämlich Lena erst gut sechs Wochen nach dem angeklagten Vorfall von dem Geschehen während des Langeoog-Aufenthalts erzählt. Und das wiederum direkt nach einem weiteren Übergriff, der sich auf dem Nachhauseweg von einem Kinobesuch ereignet haben soll. Dabei sei Lena mit einer Freundin von einem Unbekannten verfolgt worden, der sie schließlich unsittlich angefasst haben soll. Doch weder sei die begleitende Freundin befragt noch Anstrengungen unternommen worden, diesen Mann zu ermitteln, so Richter Hunke.
Wäre es gestern zu einem Hauptverfahren gekommen, hätte die Verteidigung ein Glaubwürdigkeitsgutachten angestrengt, um die Aussagen der beiden Belastungszeuginnen zu prüfen, und das hätte das Verfahren noch weiter in die Länge gezogen und noch belastender gestaltet. So gibt es nun mit dem Strafbefehl ein rechtskräftiges Urteil und einen Abschluss für ein ausgesprochen spät in Gang gesetztes Gerichtsverfahren.

Artikel vom 18.03.2005