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»Verklausuliert, damit
es rechtlich auch geht«

Umlage: Kreistag verabschiedet einstimmig 4,2 Prozent

Von Frank Spiegel
Kreis Höxter (WB). Zündstoff gab es zwar reichlich in der Kreistagssitzung am Donnerstag. Dank eines geschickten Schachzuges der Verwaltung explodierte dieser jedoch nicht öffentlich.

So ergab sich die außergewöhnliche Situation, dass die CDU-Fraktion von einer 4,2-prozentigen Erhöhung der Kreisumlage sprach und damit ebenso Zustimmung zum Haushalt ankündigte wie die anderen Fraktionen, die sich über eine nur 3-prozentige Erhöhung freuten und den gefundenen gemeinsamen Weg lobten.
Des Rätsels Lösung: Recht haben sie auf ihre Art und Weise alle. So wird die allgemeine Kreisumlage zwar um 4,2 Prozentpunkte auf 37,8 Prozentpunkte erhöht. Sie wird jedoch nur - und das ist der Schachzug - mit einer Erhöhung von 3 Prozent auf 36,6 Prozent bei den zehn Städten erhoben. Diese Regelung gilt aber nur so lange, wie der Zuschussbedarf für Hartz IV 10 173 000 Euro nicht übersteigt. Sollte das doch der Fall sein, erhöht sich die allgemeine Kreisumlage in diesem Haushaltsjahr um bis zu 4,2 Prozent (37,8 Prozent). Den »Schwarzen Peter« hat damit der Kreis, denn: Übersteigt der Zuschussbedarf die 37,8 Prozent, schaut dieser »in die Röhre«. Geprägt ist der Haushalt von den Unsicherheiten durch Hartz IV. Verlässliche Zahlen gibt es nicht.
»Der Kreis muss nach eigenen Berechnungen und Erkenntnissen handeln«, erklärte CDU-Fraktionschef Franz Kremeyer. Durch das Einsetzen des Resterlöses aus dem EAM-Aktienverkauf, die Auflösung der allgemeinen Rücklage ohne Beachtung des Mindestbestandes und die volle Einbeziehung der Verbesserungen beim Haushaltsvollzug 2004 sei es gelungen, die Kreisumlagenerhöhung von 8,5 auf 4,7 Prozent zu verringern.
Sowohl dem CDU- als auch dem SPD-Vorschlag, die Kreisumlage nur um 3 Prozent zu erhöhen, um so auf die Unsicherheiten wegen Hartz IV zu reagieren und gegebenenfalls später nachzuzahlen, hätten alle Städte des Kreises zustimmen müssen. Dies sei seitens der Stadt Höxter nicht erfolgt.
»Unter Würdigung aller Kriterien haben wir uns bei unseren Haushaltsberatungen davon leiten lassen, Einsparpotenzial zu realisieren, wo es uns möglich erschien«, sagte Kremeyer. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, solle der Sockelbetrag von rund 1 000 Euro pro Fraktion belassen werden, der Zuschuss je Fraktionsmitglied solle von 281,22 auf 200 Euro gekürzt werden.
Die Pauschalzuschüsse an die Wohlfahrtsverbände habe die CDU nur um 5 und nicht wie zunächst geplant um 10 Prozent gekürzt. Für den Weltjugendtag würden maximal 13 250 Euro Unterstützung für den Aufenthalt junger Christen im Kreis Höxter gewährt, der Verein »der Bürgerpunkt« Bad Driburg bekomme einen einmaligen Zuschuss von 1225 Euro.
Die durch Hartz IV zur Pflichtaufgabe des Kreises gewordene Schuldnerberatung solle von der Diakonie Paderborn-Höxter wahrgenommen werden. Es werde ein Zuschuss von 40 000 Euro gewährt.
Auch Andreas Suermann lobte, dass die Diskussionen »ungewöhnlich offen und ausführlich über die Fraktionsgrenzen hinweg« geführt worden seien. Einigkeit sei in vielen Bereichen erzielt worden. Suermann: »Bei anderen Ausgabepositionen allerdings wurde erneut deutlich, wie unterschiedlich der Einsatz der knappen finanziellen Mittel gesehen wird.« Marketingprojekte für die äußere Fassade des Kreises müssten dahinter zurückstehen, spielte er auf die Bücherreihen an, die mit Kreismitteln finanziert werden. Es falle der CDU bei Anträgen Dritter offenbar schwer, gleiche Maßstäbe anzulegen. Suermann: »So ist für uns die Ungleichbehandlung durch sie im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung zwischen den Trägern der AWO und Donum Vitae unübersehbar.«
Auf der anderen Seite nehme die SPD auch zu Kenntnis, dass die CDU ihre Meinungen »nicht wie sonst stur mit ihrer Mehrheit« durchgesetzt habe. Die SPD-Kreistagsfraktion trage diesen Kreishaushalt mit.
Gisbert Bläsing, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, sieht »drei große Brocken«, die den Kreistag beschäftigten: die Auswirkungen von Hartz IV auf die Kreisfinanzen, das Krankenhaus in Warburg und die Diskussion um einen möglichen Nationalpark Senne-Egge. Bei den Bereichen Hartz IV und Krankenhaus Warburg warf Bläsing der CDU vor, nicht erfolgreich für den kommunalen Schulterschuss geworben zu haben. Der Bündnisgrüne: »In der Diskussion um den Nationalpark Senne-Egge begab sich der Landrat schnell auf einen Holzweg, statt für diesen Leuchtturm zu streiten, als Chance für die Regionalentwicklung und die Tourismuswirtschaft.«
»Die vom Kreis zu verteilenden, nur noch wenigen Gelder - die freiwilligen Leistungen - müssen nach ihrer Notwendigkeit und Dringlichkeit für die gesellschaftliche Arbeit verteilt werden und nicht nach Sympathien«, warf er der CDU zudem Klientelpolitik vor.
Der lange aber sicherlich notwendige Beratungsprozess des Kreishaushaltes zeige erstmals, dass Gespräche und Verhandlungen, wenn sie zielführend verliefen, am Ende kein Wunschergebnis, aber ein tragfähiges Ergebnis brächten. Die Kreisumlagenlösung bezeichnete Bläsing als »verklausuliert, damit es rechtlich auch geht«.
Eine Überprüfung des Haushaltes auf Einsparpotenzial regte UWG/CWG-Fraktionschef Gerhard Zell mit Blick auf bislang höher eingebrachte als dann letztendlich verbrauchte Haushaltsansätze an. Als Beispiel nannte er unter anderem die Haushaltsposition »Jugendschutz und Zuschüsse für Jugendheime«. Zell: »Weiterhin fordern wir, dass der Kreis nur seine ureigensten Aufgaben wahrnimmt. Finanzierungen, die nur einzelne Gemeinden betreffen, gehören nicht in den Kreishaushalt.«
FDP-Fraktionssprecher Hans-Jürgen Zurbrüggen kritisierte in seiner Haushaltsrede, dass Aufgaben und die damit verbundenen Kosten »vom Bund über das Land auf die Kommunen einfach so ohne Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel - sozusagen auf ÝGutsherrenartÜ - auf die Kommunen heruntergereicht« würden. Der Liberale: »Es kann nicht sein, dass der Bund und das Land von Einsparerfolgen reden, man sich in der Sonne vermeintlicher Erfolge aalt und gleichzeitig die Kommunen und Kreise in immer tiefere Probleme stürzt.«

Artikel vom 19.03.2005