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Mosaiksteinchen einer guten Tat

Professor Erasmus Zöckler liest aus »Ein Leben für die Kinder«

Bad Oeynhausen (wol).
Im Gemeindehaus in der Wicherngemeinde war kaum ein Stuhl noch frei. Rund 90 Zuhörer lauschten mit Anspannung und historischem Interesse dem Vortragenden. Der Mann, der die Menschen literarisch so fesselte: Professor Erasmus Zöckler, 79 Jahre jung, früher Chefarzt der Chirurgie im Zweckverband-Krankenhaus, jetzt Autor.

Erasmus Zöcklers neuestes Buch »Ein Leben für die Kinder« erscheint in dieser Woche im Buchhandel. Am Dienstagabend las der rüstige und schlagfertige Senior Passagen aus dem Buch, einer Biographie seines Großvaters Theodor Zöckler.
Quelle der rund 400 Seiten sind gut 2000 Briefe seines Großvaters Theodor zwischen 1890 und 1949. Als diese dem Autor Erasmus Zöckler in die Hände fielen, hauchte er den Briefen literarisches Leben ein. So ist der Nachwelt die kühne und aufopferungsvolle Geschichte von Theodor Zöckler, Bischof von Galizien, und seiner Frau Lilie Zöckler erhalten geblieben: Mosaiksteine einer guten Tat.
Die beiden gründeten in Stanislau am Nordrand der Karparten in der heutigen Ukraine 1894 ein Heim für Waisen und obdachlose Kinder. Zöckler beschreibt, wie erst eine Erbschaft den Kauf dreier Häuser ermöglichte, wobei Theodor nur an einen Teilbetrag des Erbes herankam.
Von diesem Zeitpunkt an baute das Ehepaar Zöckler unter permanenten politischen wie wirtschaftlichen Spannungen in Stanislau die größte diakonische Anstalt Osteuropas auf. Auch die mannigfachen Zäsuren, bedingt durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg, sowie die konfessionellen Gräben, werden von Erasmus Zöckler geschildert. »Im Ersten Weltkrieg nannte man Galizien das Land der Gräber und Kreuze«, schilderte er, und schon »1901 hatten wir 100 Kinder im Waisenheim, und man sagte uns, Ýes geht nicht mehr, ihr müsst die Kinder wegschicken.Ü Dann kam eine Frau, barfuß mehr als 100 Kilometer war sie gelaufen, mit ihren drei kleinen Kindern. Was sollten wir denn machen, sie wirklich wegschicken? - So waren es halt 103 Kinder in Stanislau.« In diesem Moment war es sehr still im Wichernhaus.
Nach dem Vortag gab es noch eine kurzweilige Fragerunde, in der Professor Zöckler zu Hintergrundaspekten, historischen Sachverhalten und aktuellen Verbindungen Auskunft gab - bis hin zu den Auswirkungen der Präsidentenwahl in der Ukraine.

Artikel vom 17.03.2005