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Nur noch Ruinen erobert

WV-Serie Folge 8

Ostern 1945: Mit dem Einmarsch der Amerikaner war alles vorbei

Von Annika Kalle
Paderborn (WV). 60 Jahre ist es nun her, dass am 1. April 1945 die amerikanischen Truppen in das durch Bombenangriffe zu 85 Prozent zerstörte Paderborn einrückten. Nur noch rund 5 000 der 42 490 Einwohner (Zählung von 1939) hielten sich an diesem Tag inmitten der Ruinen der Stadt auf.

Am Ostersonntag 1945 ging mit der Einschließung des Ruhrgebiets durch die amerikanischen Streitkräfte der Krieg im Kreis Paderborn zu Ende. Der große »Ruhr-Kessel«, in dem die Heeresgruppe B mit etwa 325 000 Soldaten festsaß, sollte endgültig geschlossen und zugleich der weitere amerikanische Vorstoß in Richtung Weser vorbereitet werden. Die Amerikaner wollten die Stadt Paderborn wegen ihrer Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt und Standort wichtiger militärischer Anlagen schnell einnehmen.
Daher setzte die 3. US-Panzerdivision ihren Angriff aus dem Raum Brilon/Niedermarsberg/Arolsen sogar in der Nacht vom 29. auf den 30. März fort. Der schnelle Vormarsch wurde erst wenige Kilometer vor Paderborn in Wewer sowie in und bei Kirch- und Nordborchen gestoppt. Obwohl es angesichts der amerikanischen Übermacht und der allgemeinen Kriegslage offensichtlich sinnlos erschien, gab der nationalsozialistische Einsatzstab unter dem letzten NS-Kreisleiter Steinhorst Befehl zum »Kampf bis auf den letzten Mann«.
Eiligst zusammengewürfelte Panzereinheiten aus Sennelager leisteten so noch bei Kirch- und Nordborchen hartnäckige Gegenwehr. Die amerikanische Artillerie ging südlich von Kirchborchen in Stellung und schoss in beiden Dörfern mehrere Häuser in Brand. Mit Panzern bekämpften sie zunächst den Ortsrand von Kirchborchen, am Nachmittag griffen sie Nordborchen an. Die Nahkämpfe dauerten bis in die Dunkelheit. 200 deutsche Soldaten fielen in dieser Schlacht. Kirchborchen wurde am 30. März besetzt, Nordborchen am Tag darauf. Somit zerbrach auch Paderborns letzter »Verteidigungswall« und die Amerikaner konnten die alte Bistumsstadt einnehmen.
Ihr Einzug wurde von der deutschen Bevölkerung buchstäblich als »Stunde Null« empfunden. In zahlreichen Zeitzeugenberichten heißt es, Paderborn sei »beinahe dem Erdboden gleichgemacht« und in ein »Neupompeji« verwandelt worden. Die Einnahme der Stadt erfolgte nahezu ohne Zwischenfälle. Kriegsmüde und erschöpft warteten die wenigen in Paderborn Gebliebenen auf ein baldiges Ende der andauernden Kampfhandlungen.
So beschreibt der spätere Bürgermeister Christoph Tölle das Ereignis, das er in seinem Haus in der Elisabethstraße (heute Christoph-Tölle-Straße) erlebte, folgendermaßen: »Am 1. April 1945 rückten die Amerikaner in Paderborn ein. Aus der Nachbarschaft kam am frühen Vormittag der Bildhauer Jupp Rikus mit einem Fernglas zu uns. Wir beobachteten damit von unserer Mansarde aus, wie die Panzerwagen von der Höhe des Querweges von Hamborn aus in Paderborn anrückten. Dann gingen wir in den Luftschutzkeller. Nachdem die Schießerei verstummte und es ruhiger wurde, verließ ich zunächst allein den Keller . . .
Von der Benhauser Straße her nahten die ersten amerikanischen Soldaten mit geladener Maschinenpistole, gefolgt von einem Panzer, und bogen in die Elisabethstraße ein. Die Soldaten musterten mich kurz im Vorbeigehen, gingen wortlos weiter und der Panzer fuhr in unseren Hausgarten, wo er einige Zeit seinen Standort behalten hat. Ich blickte auf die Uhr und sagte: halb zwölf. Ostersonntag 1945. Der Amerikaner ist in Paderborn eingerückt. Ein geschichtlicher Augenblick!« (aus: »Paderborn 1945-1955, Zerstörung und Aufbau«).
Ostermontag wurde Elsen kampflos besetzt und nach heftigen Kämpfen fiel am Abend des 3. April auch Schloß Neuhaus in die Hand alliierter Soldaten. In Paderborn hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die britische Militärverwaltung begonnen, die Verwaltung der Stadt und die Versorgung der Bevölkerung zu organisieren.

Artikel vom 30.03.2005