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Nur Therapie
schafft Weg
aus der Sucht

Landgericht verurteilt Junkie

Lübbecke/Bielefeld (uko). Seine unstillbare Sucht nach Drogen hat einen jungen Mann aus Nettelstedt zu 18 Diebstählen in Serie sowie zu der räuberischen Erpressung einer Taxifahrerin getrieben. Konsequenz des Bielefelder Landgerichts: viereinhalb Jahre Haft.
Selten haben indes Richter des Landgerichts einen Angeklagten erlebt, der offen und ehrlich, nachvollziehbar und logisch seine Taten schilderte. Selten schwang auch bei allen Prozessbeteiligten zeitweise ein gewisses Mitgefühl für einen Angeklagten mit.
Es sei »alles korrekt, so wie es in der Anklage aufgeführt ist«, sagte Bastian Ö. eingangs des Prozesses. Damit gestand er die Einbruchserie, die er von Juli bis September 2004 vorzugsweise in Gebäude in Nettelstedt »hingelegt« hatte. Heimgesucht hatte er damals mehrmals den Tennisclub TC Nettelstedt, die Hütte des Reit- und Fahrvereins Nettelstedt, eine Arztpraxis in Lübbecke, das Vereinsheim der Freilichtbühne Nettelstedt, die Grundschule Nettelstedt, einen Fenster- und Türenbetrieb, den Schützenverein Concordia Husen und das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Nettelstedt.
Während die Beute bis auf den Einbruch in der Praxis gering blieb - hier stahl er drei Computeranlagen - waren allein die Umstände des Überfalls auf eine Mindener Taxifahrerin gravierend, hässlich und nahezu lebensgefährlich. In Minden lungerte Bastian Ö. am 17. September 2004 er an einem Taxistand herum. Er stand unter Entzug und überlegte, wen er überfallen könnte. Ö. entschied sich für Angelika S. (Name geändert), die ihn nach Nettelstedt fahren sollte. Da er kein Geld hatte, knöpfte ihm die Frau seinen Personlausweis ab. Kammervorsitzender Dieter Fels sarkastisch: »Das ist vergleichbar mit einem Bankräuber, der in einer Bank ein Konto eröffnet und dann den Ballermann rausholt.«
In Nettelstedt zog Ö. einen abgebrochenen Flaschenhals aus der Hosentasche und bedrohte die Frau, die in ihrer Abwehrhaltung Schnittverletzungen am Hals und an den Händen erlitt.
Als versuchte räuberische Erpressung wertete das Gericht diesen Fall, bei dem Ö. nicht vermindert schuldfähig gewesen sei. - Trotz seiner energischen Ablehnung ordneten die Richter letztlich aber die Unterbringung des drogenabhängigen Mannes in einer Entziehungsanstalt an. Bastian Ö. hatte noch nicht einmal um eine Strafmilderung gebeten, er wolle sich indes nach Erfahrungen anderer Süchtiger die Unterbringung ersparen, denn die empfinde er als zu »herb«. Stattdessen wolle er lieber lange Zeit in Strafthaft gehen und dann die Zeit zu einer Ausbildung nutzen. Er habe sich durch Drogen und Sucht »viel Mist eingebrockt, ich habe keine Lust mehr dazu«, sagte der sichtlich geknickte und ernüchterte junge Mann.
Dieter Fels hielt ihm dennoch die Chancen der angeordneten Unterbringung vor Augen. Sofern er gut mitarbeite, könne er schon nach einem Jahr mit der angestrebten Ausbildung beginnen. Die Möglichkeit habe dieser Angeklagte aufgrund seiner Intelligenz allemal, betonte Fels.

Artikel vom 17.03.2005