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Auf zehn Tonnen Dynamit durch die brennende Stadt

WV-Serie Folge 6

Liselotte Heldmann: Flucht vor den Amerikanern

Paderborn (WV). Liselotte Heldmann, geb. Dierks hat einen der schlimmsten Tage in ihrer Zeit als Wehrmachtshelferin - auf der Flucht vor den heranrückenden Amerikanern - im Paderborner Land erlebt. Vom Rhein ging es auf explosiven Fahrzeugen zurück zu ihrem Heimatstandort in Detmold.

Im Jahre 1944 wurde Liselotte Heldmann, damals 21 Jahre alt, als Stabshelferin zur Wehrmacht einberufen und arbeitete als Rechnungsführerin in der Verwaltung einer Transport- und Nachschubeinheit in Bonn. Anfang März 1945 erreichten die Amerikaner den Rhein und die junge Detmolderin wurde in ihre Heimat zurückbeordert.
Zusammen mit einer weiteren Wehrmachtshelferin gelangte sie per Bahn auf der offenen Plattform eines Treibstoff-Kesselwagens, im Lkw einer mobilen Wehrmachtsdruckerei und zu Fuß innerhalb von drei Tagen quer durchs Sauerland bis Soest. Hier fand sie einen Militärlastwagen, der in Richtung Paderborn fuhr. Oben auf der mit Planen abgedeckten Ladung saß sie neben 14 jungen Flakhelferinnen, alle fest in ihre dicken Wintermäntel eingehüllt.
Ein Transportbegleiter suchte ständig mit einem Fernglas den Himmel nach feindlichen Flugzeugen ab, die Jagd auf Eisenbahnzüge und Militärkolonnen machten. Wenn sich ein Jäger näherte, verließen die Soldaten jedes Mal fluchtartig ihren Lkw und brachten sich in größerer Entfernung in Deckung. Bis die jungen Damen von der Ladung herunterklettern konnten, war der Spuk schon wieder vorbei.
Auf Liselotte Dierkes Frage an die Transportfahrer, warum sie jedes Mal wie die Hasen wegliefen, erklärten diese, sie hätten zehn Tonnen Dynamit und Panzerfäuste geladen. So ging die Fahrt mit nunmehr mulmigem Gefühl in der Magengegend weiter in Richtung Paderborn. Es war der 10. März 1945.
Als sie gegen Mittag Salzkotten durchfuhren, flog ein Verband von amerikanischen Bombern hoch über der Hederstadt in Richtung Osten: Paderborn wurde bombardiert. Nach etwa einer halben Stunde erreichte der Lkw das Gut Warthe an der B 1. Von der Anhöhe sahen sie dunkle Rauchwolken über Paderborn aufsteigen. Kurz nach Passieren der Brücke über die Eisenbahntrasse war die Bahnhofstraße nicht mehr passierbar. - Trümmer und Bombentrichter versperrten den Weg.
So suchte sich der Lkw-Fahrer einen Weg durch die Klöckner- und die Erzbergerstraße. Auch in diesem Gebiet waren etliche Bomben gefallen und der Soldat am Lenkrad musste sich vorsichtig einen Weg durch die Trümmer suchen, manchmal ging es nur durch die Vorgärten. Nur vereinzelt waren Zivilisten zu sehen, die nach Verschütteten suchten oder Brände löschten. Nach einer endlos erscheinenden Fahrt durch dieses unwirklich erscheinende Szenario erreichte der Wagen über Neuhäuser Straße und Rolandsweg wieder die B 1 (Detmolder Straße). Von hier ging es recht zügig weiter. Am Nachmittag traf Liselotte Heldmann wohlbehalten Detmold ein.(notiert von Bernd Peitz)

Artikel vom 19.03.2005