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Frontalangriff auf 35-Stunden-Woche

Neben Pfleiderer und Wolf will auch Westag & Getalit aussteigen - Einzelverträge

Von Stephan Rechlin
Kreis Gütersloh (WB). Auf breiter Front ziehen Unternehmen im Kreis Gütersloh gegen die 35-Stunde-Woche zu Feld. Neben der Gustav Wolf Seil- und Drahtwerke GmbH und der Pfleiderer AG will nun auch die börsennotierte Westag & Getalit AG in Rheda-Wiedenbrück von der manteltariflich vereinbarten Arbeitszeit abkehren.

Zum 1. April werden die in der Produktion von Türen und Zargen beschäftigten 233 Mitarbeiter dort nur noch 32 Stunden pro Woche arbeiten - und auch nur noch für diese Zeit bezahlt. Eine in Einzelverträgen getroffene Vereinbarung sieht vor, Arbeitszeit und Löhne auf bis zu 30 Stunden pro Woche abzusenken. Die Mitarbeiter sind auch bereit, Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld hinzunehmen. »Das will natürlich niemand«, sagt Pedro Holzinger, Vorstandsmitglied der Westag & Getalit AG. Doch würden die Mitarbeiter solche Einschnitte hinnehmen, wenn ihnen dadurch betriebsbedingte Kündigungen erspart blieben. Westag & Getalit garantiert dafür, bis Ende 2006 auf solche Kündigungen zu verzichten. »Auch Mitarbeiter, die keine Angst vor einer Kündigung haben müssen, stimmten dieser Vereinbarung zu. Ich bin den Mitarbeitern für diese Solidarität in schwieriger Zeit dankbar«, sagt Holzinger.
Für Hans-Josef Langela, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall im Kreis Gütersloh, ist diese Zustimmung dagegen nur ein weiterer Beleg für den Dammbruch, der nach der faktischen Rückkehr des Siemens-Werkes in Kamp-Lintfort zur 40-Stunden-Woche einsetzte. »Dieser Durchbruch setzt sich nun regional fort«, fürchtet er. In der Holzindustrie hätten die Arbeitgeber den Manteltarifvertrag gekündigt. Sie strebten nun einen Zeitarbeits-Korridor zwischen 30 und 40 Stunden an: Wird weniger als 35 Stunden die Woche gearbeitet, wird auch weniger bezahlt. Wird länger gearbeitet, bleibt es beim Lohn für 35 Stunden. Dieses Modell wird derzeit auch bei Westag & Getalit praktiziert. »Mit der Androhung von Kündigungen und Arbeitsplatzverlagerungen setzen Arbeitgeber derzeit alles Mögliche durch«, stellt Langela fest.
Ebenfalls auf der Basis von Einzelverträgen will die Pfleiderer AG die 35-Stunden-Woche aushebeln - allerdings in Richtung unbezahlte Mehrarbeit. Bis Ende dieser Woche sollen sich die 344 Mitarbeiter des Gütersloher Werkes dafür oder dagegen entscheiden. In den Verhandlungen mit der IG Metall weist Pfleiderer auf Wettbewerbsnachteile in Höhe von konzernweit 600 Stellen hin. »Diesen Nachteil müssen wir ausgleichen. Die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche wäre dazu ein wichtiger Schritt«, teilt Unternehmenssprecher Ulrich Körner mit. Die Gustav Wolf Seil- und Drahtwerke GmbH wiederum droht mit der Verlagerung von Produktionsteilen ins Ausland, falls künftig nicht 40 Stunden gearbeitet wird.

Artikel vom 16.03.2005