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Beklemmendes Ende einer Brieffreundschaft im Dritten Reich


Paderborn (WV). »Martin, mein alter Freund, ich finde nach dem letzten Brief, den du mir gechickt hast, keine Ruhe mehr. Diese Worte klangen so wenig nach dir, dass ich den Inhalt nur deiner Angst vor der Zensurstelle zuschreiben kann. Der Mann, den ich wie einen Bruder geliebt habe, dessen Herz mir immer vor Sympathie und Freundschaft übersprudelte, kann doch unmöglich, und sei es in untätiger Mitläuferschaft, an der Abschlachtung eines unschuldigen Volkes teilhaben. Ich vertrau dir und bete, dass ich deine Lage richtig verstehe.«
»Adressat unbekannt« heißt der Roman, in dem die Autorin Kressmann Taylor mit wenigen Sätzen tiefgreifende Veränderungen im Dritten Reich dokumentiert. Gestaltet als Briefwechsel zwischen dem Deutschen Martin und dem Juden Max in den Monaten um Hitlers Machtergreifung, zeichnet dieser kurze Text in bewegender Schlichtheit das Auseinanderbrechen einer Freundschaft zwischen zwei Bildungsbürgern im Jahr 1933. Der Roman, 1958 erstmals in der New Yorker Literaturzeitschrift »Story Magazine« veröffentlicht, ist ein literarisches Meisterwerk von beklemmender Aktualität - eine Fiktion, die mehr über die damalige Realität verrät als mancher Tatsachenbericht.
Im Rahmen der »Lesereise«, die Mitglieder der Kammerspiele an unterschiedliche Orte des Kreises führt, rezitieren Frerk Brockmeyer und Wolfgang M. Reicher am Mittwoch, 13. April, den fiktiven Briefwechsel. Die Lesung beginnt um 19.30 Uhr im Kreismuseum Wewelsburg. Karten an der Theaterkasse oder an der Abendkasse.

Artikel vom 17.03.2005