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Richtig spannend wird es hinter den Kulissen

Bühnenbauer Günther Rohlf und Karl-Heinz Koch

Von Andrea Pistorius (Text)
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). Wer bei den Kammerspielen als Bühnenbauer sein Geld verdienen will, der muss ein handwerklicher Alleskönner sein. Kulissen schreinern, tapezieren, anstreichen, Teppiche verlegen, Rohre schweißen, Lampen verkabeln und Stühle polstern: Das alles ist für Günther Rohlf und Karl-Heinz Koch seit 25 Jahren tägliche Pflicht.

Doch diese Arbeit hat für die beiden Jubilare im Team des Theaters durchaus auch etwas mit Vergnügen zu tun. »Man muss wach sein, sehen wo man gebraucht wird und improvisieren können«, sagt Rohlf, der als Technischer Leiter dafür sorgt, dass in der Werkstatt und hinter der Bühne alles klappt. Er ist ebenso wie seine neun Mitarbeiter nicht nur handwerklich geschickt, sondern auch neugierig und flexibel; schließlich steht alle sechs Wochen eine neue Inszenierung mit ständig wechselnden Regisseuren und Bühnenbildnern auf dem Spielplan. Deren Vorgaben ließen zwar wenig Raum für eigene Kreativität, stellt der Bühnenmeister klar, doch in der Umsetzung der Entwürfe sei Phantasie gefragt - nicht zuletzt, weil der Etat für den Bühnenbau an den Kammerspielen knapp bemessen ist.
»Nach 25 Jahren wiederholt sich auch so einiges«, schränkt Günther Rohlf ein. Etwas Besonderes war in seiner Erinnerung ein ausschließlich aus bemalten Stoffbahnen bestehendes Bühnenbild, wie es für das Stück »Talismann« hergestellt wurde; für eine technische Herausforderung sorgte »Nathan der Weise« mit fließendem Warmwasser in einem Duschbecken.
»Mein alter Chef sagte immer: Ein Bühnenbild muss schnell zu bauen und leicht zu transportieren sein, mal eben vier Wochen halten und trotzdem gut aussehen«, lacht Karl-Heinz Koch und meint damit, dass es in seinem Beruf eher auf Vielseitigkeit als auf eine Spezialisierung mit Meisterbrief ankommt. Deshalb konnte er ebenso wie Rohlf als Quereinsteiger im Theaterbetrieb Fuß fassen.
Koch, Jahrgang 1950, ist Tankwart von Beruf, hat eine zeitlang bei Benteler gearbeitet und kam 1980 als Aushilfe an die Kammerspiele. Aus dem Zeitvertrag wurde bald eine Festanstellung. Der Einstieg verlief bei Günther Rohlf aus Leiberg (48) ähnlich. Nach dem Abitur wollte er Innenarchitektur studieren und absolvierte ein Praktikum am Theater. Er ist schließlich geblieben und vertiefte seine praktischen Kenntnisse durch eiune Ausbildung zum Bühnenmeister.
Die Werkstatt an der Lageschen Straße im Paderborner Westen ist nur ein Tätigkeitsfeld der Bühnenbauer, das andere liegt direkt im Theater. Jede Aufführung wird begleitet, sei es, um in den Pausen umzuräumen oder bei Pannen mit Werkzeug einzugreifen. »Ich kriege jetzt noch einen Adrenalinstoß, wenn ich an "Mutter Courage" denke«, behauptet Rohlf. Die Kammerspiele hatten den Brecht-Klassiker im Gartenschau-Jahr 1994 auf der Freilichtbühne im Schlosspark inszeniert. »Ein total verregneter Sommer und irgendwann blieb der Marketenderwagen im Morast stecken. Beim Rausziehen riss die Deichsel ab«. Rohlf hatte eine Szene lang Zeit, die Karre zu reparieren - die Schauspieler mussten irgendwie improvisieren -, und er hat es geschafft.
Karl-Heinz Koch meldet sich gern für die Märchenaufführungen im November und Dezember, in der Regel finden zwei hintereinander an einem Tag statt. »Das geht stramm durch, morgens um acht bin ich schon da«, erzählt er. Genauso schätzt er die Sommer-Inszenierungen im Innenhof der Schloß Neuhäuser Residenz. »Bei "Amadeus" musste ich den Hauptdarsteller mit einem Seil sichern, der auf das Dach über der Bühne klettern sollte«, plaudert Koch weiter, und so war er bei trockenem Wetter mit Gurten und Haken beschäftigt.
Ob sich die Beiden die Aufführungen auch aus der Zuschauerperspektive anschauen? »Nein, eher nicht,« grinst Günther Rohlf, »ich würde dann nur die Schraube in der Wand sehen, die wir vergessen haben zuzuspachteln«.

Artikel vom 17.03.2005