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Junger Beethoven hat viel Temperament

Deklamationskunst und Musikalität der Künstlerin Isabel Hindersin harmonieren perfekt


Von Wilhelm Friedemann
Bad Oeynhausen (WB). Mit »Sturm und Drang« war das März-Programm des Philharmonischen Orchesters der Stadt Bielefeld überschrieben, zu dem 250 Zuhörer im Theater im Park erschienen waren. Die zweite Leonoren-Overtüre und zweite Symphonie, beides Kompositionen des jungen Beethoven, rahmten ein Werk aus dem selten zu hörenden Genre »Melodram« von Georg Anton Benda ein.
Insgesamt existieren sogar vier Overtüren zu Beethovens Oper »Leonore«, die nach zahlreichen Überarbeitungen zum »Fidelio« wurde. Die zweite Overtüre, mit der das Philharmonische Orchester sein Konzert begann, entstand nicht nur vor der ersten Overtüre, sie ist außerdem eine Umarbeitung der dritten und erklang bei der Uraufführung des »Fidelio« im Jahre 1805. Etwas schleppend begann diese doch so dramatische Musik, die in großen ideellen Bildern den Gang der Opernhandlung umreißt.
Mit seinen nach den Anweisungen von Jean-Jacques Rousseau gearbeiteten Melodramen erregte der Böhme Georg Anton Benda internationales Aufsehen. Nach dem großen Erfolg seines Erstlings »Ariadne auf Naxos« komponierte Benda im selben Jahr 1775 »Medea«. Den tonmalerischen Schilderungen und raschen Affektwechseln der Musik liegt ein Text von hohem literarischen Niveau zu Grunde, der vom mit Goethe befreundeten Hofarchivar Friedrich Wilhelm Gotter verfasst wurde.
Bei der Sprecherin Isabel Hindersin fanden Deklamationskunst und Musikalität auf kongeniale Weise zusammen. So ist die junge Darstellerin sowohl im Schauspiel wie auch auf der Opernbühne zu Hause. Sehr ausdrucksstark und mit ergreifender Körpersprache und Mimik rezitierte Isabel Hindersin den Text. Bendas Musik zu »Medea«, die zu seinen Lebzeiten von Kollegen wie Mozart hoch geachtet wurde, vermag heutzutage nicht mehr in der Art zu überzeugen, wie sie es vor 230 Jahren tat. Die Affekte wirken zu oberflächlich, musikalisch vermag Bendas Kompositionsstil es nicht, den Text auf emotionaler Ebene zu unterstützen. Dennoch sind neben Isabel Hindersins überzeugendem Textvortrag die stete Präsenz des Orchesters und das präzise Dirigat von Peter Kuhn hervorzuheben.
Sehr munter und frisch zeigte sich das Bielefelder Orchester in Beethovens zweiter Symphonie. Die Adagio-Einleitung zum ersten Satz war filigran ausgearbeitet. Der mit Allegro con brio überschriebene Satz selbst wurde mit Schwung und Elan genommen. Friedlich dagegen gelang der gemäßigte zweite Satz, der durch die wechselnden Instrumentierungen viel Farbigkeit enthielt. Die dynamischen Kontraste im dritten Satz, den Beethoven zum ersten Mal mit »Scherzo« bezeichnet, drückten eine ausgelassene Stimmung aus. Diese ungehemmte Fröhlichkeit wurde durch den ständigen Wechsel von Streichern und den exzellenten Bläsern der Bielefelder Philharmoniker unterstützt. Mit rasantem Tempo dirigierte Kuhn sein Orchester im Finalsatz, und mit wahrhaft hymnischen Klängen wurde das Konzert beendet.

Artikel vom 12.03.2005