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Das Wort zum Sonntag

Von Dechant Dr. Arnulf Vagedes, Bad Driburg


Seit Jahren hatten wir uns an das Bild vom Papst gewöhnt: hinfällig, aber doch immer wieder beeindruckend. So ist es mir am Montag, 28. Oktober 2002, ergangen, als wegen des 450-jährigem Bestehens des römischen Collegium Germanicum et Hungarium die Studenten und Ehemaligen zur eigenen Papstaudienz in den Vatikan eingeladen waren. Zuerst wollte ich nicht hingehen, weil ich mir sagte, wie auch andere Mitglieder unserer Kirchengemeinde: »Man kann es ja nicht mehr mit ansehen, wie der Papst sich quälen muss!« Aber ein Kollege aus dem Bistum Aachen hatte nicht locker gelassen: »Er will es doch so! Der Papst - so medienerfahren - sollte er nicht wissen, wie er wirkt?« So habe ich mich durch diesen Gedanken an das Zulassen des Anblicks gewöhnt.
Natürlich kann der Papst zurücktreten. Seit Jahrhunderten ist es einhellige Lehre der Kirchenrechtler, dass er mit der Annahme der Wahl außer durch den Tod, auch durch Rücktritt sein Amt abgeben kann. Deswegen ist die Diskussion über einen Rücktritt keineswegs ein Majestätsverbrechen: Pius XII. (verst.1958) setzte eine Kommission ein, um prüfen zu lassen, ob er wegen seines Alters im Falle von Dienstunfähigkeit zurücktreten solle.
Im Sommer 2000 ließ der Vorsitzende unserer Bischofskonferenz, Bischof K. Lehmann, in einem Interview die Bemerkung fallen, der Papst hätte wegen seines erwiesenen Mutes die Kraft zum Rücktritt, aber seine Umgebung werde das zu verhindern wissen.
Darauf reagierte die italienische Presse überraschend scharf, spielte Hüterin der guten Sitten und Beschützerin des »papa polacco«. Das wirkte auf mich unsachlich. Die oben genannte Kommission hatte übrigens Papst Pius von einem Rücktritt abgeraten: Die Einheit der Kirche sei in Gefahr, wenn zum Beispiel der Nachfolger eine andere Art der Regierung betreibe. Da sei eine Regierungspause das geringere Übel. Diesem Gedanken kann ich über 50 Jahre später getrost widersprechen: Wir haben den Stilwechsel auf Johannes XXIII. durchaus verkraftet! Ein Eingreifen der Staaten bei der Papstwahl halte ich zur Zeit für ausgeschlossen. Es wird schon nötig sein, eine »Kultur des Amtsverzichts« des ersten Repräsentanten der katholischen Kirche zu entwickeln, immer orientiert an den Worten Jesu über seinen Dienst bei der Fußwaschung (Johannes 13).
Andererseits kann ich meinen Blick nicht vor der Tatsache verschließen, dass der Jugend- und Körperkult im reichen Westen nicht gerade christliche Züge trägt. Jesus hat sich auf Erden gerade den Armen und Kranken zugewandt. In seiner Nachfolge will uns der Papst, so scheint es mir, ganz bewusst ein nicht geschöntes Bild des Menschen zumuten.
Von ganz anderer Seite tritt auch Dr. Frank Schirrmacher, einer der Herausgeber der »FAZ«, gegen den oberflächlichen Jugendwahn an, und zwar in seinem vor einigen Monaten erschienen Buch »Das Methusalem-Komplott« (Methusalem = der älteste Mensch).
So meint er: »Da die westliche Welt in riesigem Maße altert, müssen wird endlich hinschauen und dies als unsere erste kulturelle und politische Aufgabe anpacken.« Zuerst müsse unsere Gesellschaft die Angst vor dem schicksalhaft in die Katastrophe führenden Alter besiegen. Daher hatte ich jetzt keine Probleme, den Aufruf unserer Bischöfe weiterzugeben und für die Genesung des Papstes zu beten - wie wir das für alle unsere Kranken tun.

Artikel vom 12.03.2005