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Spurensuche in der eigenen Vergangenheit

Eitel Riefenstahl las im Museum im »Stern« aus »Requiem für einen Gestapo-Mann« vor

Von Jürgen Vahle
Warburg (WB). Der bekannte Fernseh-Journalist Eitel Riefenstahl war am Mittwochabend zu Gast in Warburg. Auf Einladung der Volkshochschule sprach er im Museum im »Stern« zum Thema »Handlungsspielräume in Diktaturen«. Dabei trug der 65-Jährige Passagen aus seinem Buch »Requiem für einen Gestapo-Mann - Hommage an meinen Vater« vor.

»Handlungsspielräume gibt es auch in Diktaturen. Nur sie wahrzunehmen, ist viel schwieriger als in einer Demokratie«, führte Eitel Riefenstahl zu Beginn aus. Als Beispiel für diese These nannte er seinen Vater Friedrich Riefenstahl, der in der Zeit des Dritten Reichs zwangsweise Dienst bei der Geheimen Staatspolizei der Nazis (Gestapo) versehen musste.
Friedrich Riefenstahl, hoch dekorierter Offizier der kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg, war in der Weimarer Republik als Kriminalbeamter tätig. In dieser Eigenschaft sei er schließlich gegen seinen Willen zur Gestapo abkommandiert worden, berichtete Sohn Eitel Riefenstahl am Mittwoch. Während dieser Zeit habe sein Vater aber trotz oder gerade wegen seiner Stellung Menschen geholfen, die von den Nazis verfolgt wurden.
Eitel Riefenstahl war 30 Jahre als Redakteur beim Westdeutschen Rundfunk tätig. Kurz vor dem Ausscheiden aus dem Berufsleben fand er im Nachlass seiner Mutter eine Kiste mit verstaubten Papieren. Darin enthalten waren auch zahlreiche eidesstattliche Schreiben einfacher Bürger. In diesen so genannten »Persilscheinen« beschrieben sie Riefenstahls Vater als »gerechten und humanen Menschen«, der sie vor Gefängnis und KZ bewahrt habe. Sein Vater Friedrich Riefenstahl habe also seine Handlungsspielräume in einer Diktatur genutzt, um das Leid zumindest ein wenig zu lindern und seinen eigenen moralischen und ethischen Normen treu zu bleiben, berichtete Journalist Eitel Riefenstahl.
Diese Erkenntnis schrieb der ehemalige WDR-Mann, der heute als freier Mitarbeiter bei der Deutschen Welle, als Publizist und als freier Journalist tätig ist und in Bielefeld wohnt, in seinem Buch »Requiem für einen GestapoMann« nieder. Ihm sei klar geworden, dass sein Vater, mit dem er sich wegen der »dunklen Vergangenheit« zeitlebens zerstritten hatte, nur seinem Gewissen gefolgt sei. Gerade die Tatsache, dass es einfache Bürger waren, die seinen Vater entlastet hätten, beweise ihm, dass die Beschreibungen in den alten Dokumenten wahr seien.
Eitel Riefenstahls eigene Nachforschungen in seiner Heimatstadt Duisburg hingegen gingen ins Leere: Als er kurz nach dem Dachbodenfund versucht habe, mit den »Entlastungszeugen« oder den Nachfahren ein Gespräch zu führen, sei er nicht weitergekommen.
Der Journalist arbeitete schließlich mit dem Buch ein Stück Zeit- und Familiengeschichte für sich auf - und schloss lange nach dem Tod seines Vaters Frieden mit dem »Seemann«, wie er ihn im Buch nennt.
Eitel Riefenstahls spannende Lesung hätte am Mittwoch sicher mehr als die 20 Besucher verdient gehabt, die in den »Stern« kamen.

Artikel vom 11.03.2005