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»Web« kein rechtsfreier Raum

Internetrecht in der Praxis: Risikomanagement durch Prävention

Von Dr. Thorsten Graf
Kreis Herford (HK). Die Zeiten, in denen man annahm, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sei, sind inzwischen vorbei. Jeder Internetauftritt beinhaltet Rechtsrisiken, denn es kann zu Konflikten mit Markenrechten, Urheberrechten Dritter und mit dem allgemeinen Wettbewerbsrecht kommen. Risikomanagement bedeutet in diesem Zusammenhang: Risiken erkennen, eigene Rechte stärken und rechtssicher durchsetzen, Rechtsverletzungen Dritter vermeiden. Dieser Beitrag soll aufzeigen, welche Grundsätze zu beachten sind, damit es bei der Internetnutzung nicht zu Problemen und Abmahnungen kommt. Gleichzeitig werden aber auch Hinweise gegeben, Rechtsverletzungen durch Andere zu unterbinden.

Markenrecht: Ein Unternehmen möchte einen Internetshop eröffnen. Bereits bei der Wahl des Domainnamens sind Marken- und Namensrechte Dritter zu beachten. Im Zweifel ist eine Markenrecherche durchzuführen, um Rechtsverletzungen auszuschließen. Andernfalls kann es passieren, dass eine bereits am Markt etablierte Internetdomain wieder aufgegeben werden muss, was natürlich beim Kunden zu nicht unerheblicher Verwirrung führt. Auf der anderen Seite sollten Sie sich vor Veröffentlichung des Internetauftritts überlegen, ob der Domainname nicht durch eine eigene Marke abgesichert werden sollte. Damit stellen Sie sicher, dass Ihnen kein Konkurrent die Domain nachträglich streitig machen kann. Die Anmeldung der Marke erfolgt beim Deutschen Patent- und Markenamt. Kostenpunkt: 300,00 EUR Anmeldegebühren. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die genannte vorherige Markenrecherche. Es muss geprüft werden, ob bereits identische oder ähnliche Marken existieren. Da es sich dabei um eine rechtlich komplizierte Prüfung handelt, sollten Sie sich insoweit von einem Rechtsanwalt beraten lassen.
Marken- und Namensrecht spielen aber auch beim Inhalt einer Homepage eine Rolle. Denn Markenrechte Dritter können auch durch sog. Meta-Tags verletzt werden. Dabei handelt es sich um unsichtbare Programmierungen, welche das Auffinden durch Suchmaschinen verbessern sollen. Entsprechendes gilt für sog. AdWords beim Suchmaschinenbetreiber »Google«. Lassen Sie sich aber nicht durch fragwürdige Massenabmahnungen verunsichern. So wurden z. B. in jüngster Zeit viele Homepagebetreiber durch die Abmahnung bzgl. der Marke »Autoflirt« verunsichert. Bei einer genaueren Prüfung zeigte sich, dass die in Rechnung gestellten Anwaltskosten generell zu Unrecht gefordert wurden.
Wettbewerbsrecht: Das Wettbewerbsrecht ist durch eine Gesetzesänderung vom 8.7.2004 komplett neu strukturiert worden. Wichtigste Änderung im Zusammenhang mit dem Internet ist das verschärfte Verbot von »Spamming«, dem unaufgeforderten Zusenden von Emails. Während früher ggü. Gewerbetreibenden auch ein mutmaßliches Einverständnis für die Zusendung der Emails ausreichend war, bedarf es heute einer ausdrücklichen oder zumindest »konkludent« durch anderes Verhalten erteilten Zustimmung des Empfängers. Falls also ein Wettbewerber bei einem derartigen Spamming „erwischt“ wird, kann er unter Wettbewerbsgesichtspunkten abgemahnt werden. Der betroffene Empfänger selbst kann sich ebenfalls wehren, indem er vom Versender die Unterlassung der Zusendung weiterer Emails verlangt und dies notfalls auch gerichtlich durchsetzt. Dadurch können sich auch Privatpersonen gegen lästige Emails zur Wehr setzen.
In der Praxis sehr relevant für Onlineshop-Betreiber ist die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der Preisangabenverordnung. Das OLG Hamburg hat dazu kürzlich entschieden, dass auf jeder Internetseite, auf welcher Produkte beworben werden, der Hinweis enthalten sein muss, die angegeben Preise enthielten die gesetzliche Mehrwertsteuer. Alternativ könne ein »sprechender Link« verwendet werden, der den Internetnutzer direkt zu einem derartigen Hinweis führt. Auch die Angaben der weiteren Kosten für Versendung müssten entsprechend präsent dargestellt werden. Die Versandkosten müssen bereits bei der Werbung und nicht erst beim Bestellvorgang angegeben werden (OLG Hamburg, Urteil v. 3.2.2005, 5 U 128/04, JurPC Web-Dok. 27/2005, Abs. 1-27).
Urheberrecht - Schutz vor Raubkopierern:
Das geringste Unrechtsbewusstsein zeigt sich in der Praxis im Zusammenhang mit der Verletzung fremder Urheberrechte. Der Autor kennt aus eigener Praxis Fälle der kompletten Übernahme des Webdesigns samt Texten. Auch und gerade im Zusammenhang mit Ebay-Angeboten werden hemmungslos fremde digitale Fotografien kopiert. Dies mag durch die einfache Möglichkeit eines Mausklicks begünstigt sein, ist aber eindeutig rechtswidrig. Dem Urheber stehen gegenüber dem Verletzer (Kopierer) Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu. Praktisch sieht das so aus, dass der Verletzer zunächst außergerichtlich abgemahnt und zur Abgabe einer sog. Unterlassungserklärung aufgefordert wird. Wenn diese nicht abgegeben wird, folgt das gerichtliche Verfahren. Der Urheber kann als Schadensersatz diejenige Lizenzgebühr verlangen, welche nach den Richtlinien der entsprechenden Berufsvereinigung zu zahlen ist. Diese beträgt pro Bild mindestens 80 Euro, kann aber schnell auch mehrere hundert Euro betragen, je nach dem wie lange die unberechtigte Nutzung erfolgte.

Urheberrecht - Recht auf Privatkopie - Musiktauschbörsen: Zum 13. September 2003 hat der erste Teil der Novellierung des Urheberrechts stattgefunden (»Erster Korb«). Dieser beinhaltete die durch Vorgaben einer entsprechenden EU-Richtlinie. Zwischenzeitlich wurde der zweite Teil vorgestellt (»Zweiter Korb«), der die wesentlichen Neuregelungen des ersten Teils bestätigt: Private Kopien nicht kopiergeschützter Werke bleiben grundsätzlich zulässig, auch in digitaler Form. Verboten ist es jedoch, einen Kopierschutz zu umgehen. In Bezug auf die Nutzung illegaler Tauschbörsen erfolgte eine Gesetzesänderung bzw. Klarstellung. Derzeit ist eine Kopie (ein Download) verboten, wenn die Vorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt ist. Insoweit ist es fraglich, ob die Herstellung einer Kopie von einer nicht kopiergeschützten Musik-CD und anschließende Veröffentlichung von dieser Kopie im Internet in einer Tauschbörse vom Verbot umfasst ist. Denn die Herstellung der Kopie war und ist mangels Kopierschutz rechtmäßig. Zukünftig darf keine Privatkopie hergestellt werden, wenn für den Nutzer der Tauschbörse offensichtlich ist, dass es sich um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt. Bloß wann ist dies offensichtlich? Sicherlich bei Kopien eines Kinofilms, da kein privater Internetnutzer die Rechte zum Angebot eines fremden Kinofilms im Internet haben wird. Wie ist es aber bei Kopien von alten Musik-CDs ohne Kopierschutz? Im Zweifel ist natürlich davon abzuraten, kostenlose Tauschbörsen zu nutzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine Kriminalisierung privater Endnutzer nicht beabsichtigt ist, soweit es sich um Bagatellfälle zum privaten Gebrauch handelt. Wer allerdings Hunderte von Musiktiteln unerlaubt aus dem Internet herunterlädt, hat die Grenze des strafrechtlich Erlaubten überschritten. Einzelheiten zum Gesetzentwurf und zum aktuellen Stand des „Zweiten Korbs“ gibt es auf der Informationsseite des Bundesjustizministeriums unter www.kopien-brauchen-originale.de.
Risikomanagement durch Versicherung? Rechtsstreitigkeiten wegen Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrechtsverstößen sind teuer. Eine gerichtliche Auseinandersetzung kann in der ersten Instanz schnell 8.000,00 EUR kosten. In Anbetracht der aufgezeigten Risiken wird sich der Internetnutzer daher fragen, ob er sich insoweit durch eine entsprechende Rechtsschutzversicherung absichern kann. Um es vorwegzunehmen: die Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Nach § 3 Abs. 2 ARB ist die Abwehr von Schadensersatzansprüchen ebenso ausgeschlossen wie die Wahrnehmung von rechtlichen Interessen »in ursächlichem Zusammenhang mit Patent-, Urheber-, Marken-, Geschmacksmuster-, Gebrauchsmusterrechten oder sonstigen Rechten aus geistigem EigentumÉund bei der Geltendmachung oder Abwehr von Unterlassungsansprüchen aus dem Bereich des sonstigen Wettbewerbsrechts«. Zu beachten ist in den anderen, wenigen versicherbaren Fällen natürlich, dass das richtige Versicherungspaket gewählt wurde. Verkehrsrechtsschutz hilft nicht weiter, es muss schon Privatrechtsschutz vereinbart sein. Möglicherweise können spezialisierte Versicherer weiterhelfen, die spezielle Vorsorgepakete für Internet-Dienstleister anbieten. Eine Übersicht dazu findet sich im Internet unter www.first-class-versicherung.de. Aufgrund der mangelhaften Versicherbarkeit von Risiken sollte daher jeder Internetauftritt präventiv auf mögliche Risiken überprüft werden.
Reaktionsmöglichkeiten bei Rechtsverletzungen durch Dritte: Die Kehrseite der Prävention ist die aktive Durchsetzung von eigenen Ansprüchen gegenüber Dritten im Zusammenhang mit Marken-, Wettbewerbs- und Urheberrechten. Dazu wird die Gegenseite zunächst außergerichtlich zur Unterlassung aufgefordert (»Abmahnung«). Anschließend folgen bei Nichtabgabe der Unterlassungserklärung eine einstweilige Verfügung oder/und ein sog. Hauptsacheverfahren. Vor der Abmahnung sollte aber genauestens die eigene Berechtigung hierzu geprüft werden. Sonst kann wiederum der Abgemahnte in die Offensive gehen und sog. negative Feststellungsklage einreichen.

Artikel vom 12.03.2005