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Ein Bürgermeister mit
schuldenfreiem Etat

Jürgen Spahl schaffte, wovon andere träumen

Von Marius Thöne
Willebadessen (WB). Jürgen Spahl ist ein viel gefragter Mann in finanziell schwierigen Zeiten. Während andere Städte und Gemeinden in Deutschland versuchen, das beste aus der Haushaltsmisere zu machen, gelang dem 45-Jährigen das Wunder: Seine Gemeinde, das fränkische Rednitzhembach, ist schuldenfrei. Am Dienstag war Jürgen Spahl zu Gast in Willebadessen.

Im Velcrea-Seminarzentrum ließen sich Bürgermeister Hans Hermann Bluhm, einige Stadtratsmitglieder und Verwaltungsführungskräfte in die Geheimnisse des Spar-Bürgermeisters einweihen.
»Vergessen Sie die Einnahmeseite, die ist wegen der Schlüsselzuweisungen in fast allen Kommunen gleich«, dozierte Spahl in breitestem Fränkisch. Das Spahlsche Geheimrezept heißt Ausgabenreduktion: »Alles, und wirklich alles muss auf den Prüfstand.«
Und so begann der umtriebige Bürgermeister nach seiner Wahl 1996, die ersten unpopulären Maßnahmen durchzusetzen, um den Schuldenberg von 4,9 Millionen Euro loszuwerden. Während die Bevölkerung seiner 7500-Einwohner-Gemeinde stetig wuchs, wurden im Rathaus 17 Prozent des Personals eingespart. Das waren die ersten 250 000 Euro.
Doch das sollte erst der Anfang sein: Es folgte die Gründung einer gemeindeeigenen GmbH für Abwasser- und Kanalwirtschaft. Außerdem wurden die Wasserversorgung, das Bestattungswesen und die Grünlandpflege privatisiert. Damit hatte Spahl Verhandlungsspielraum gewonnen. Musste er bei Gemeindeaufträgen bisher zwingend den billigsten Anbieter berücksichtigen, kann jetzt gezielt mit ortsansässigen Firmen nachverhandelt werden. »Einfacher kann man Wirtschaftsförderung kaum betreiben«, ist sich Spahl sicher.
Weiterer positiver Nebeneffekt: Die Mehrwertsteuer kann optimiert werden. »Die Kommune muss 16 Prozent Umsatzsteuer für eine neue Kläranlage zahlen, während die gemeindeeigenen GmbH, die eine Betriebskläranlage erstellt, die Steuer vom Finanzamt zurückbekommt«, informierte Spahl. Von 1998 bis 2000 haben die Rednitzhembacher Kommunal-GmbHs für mehr als 2,8 Millionen Euro gebaut. »Hätte die Gemeinde die Aufträge selbst vergeben, hätte sie fast 3,5 Millionen bezahlt«, hat Bürgermeister Spahl errechnet, der zurzeit ein neues Rathaus baut.
Spahls dritter Coup hilft in Rednitzhembach seit 1998, Unterhaltskosten für städtische Gebäude zu sparen. Gegen eine monatliche Pauschale bewirtschaftet eine Immobilien-Tochter der Telekom von Nürnberg aus alle kommunalen Liegenschaften, zahlt Strom, Öl und Gast und wartet per ISDN-Leitung die Technik. »Lief früher im Jugendtreff das ganze Wochenende die Heizung durch, sorgt die Nürnberger Firma jetzt mit einem Knopfdruck dafür, dass nur noch zu den Öffnungszeiten geheizt wird«, erklärte Spahl die konkrete Umsetzung dieses »Facility-Managements«. Wenn die Jugendlichen den Raum nutzen wollen, melden sie sich zuvor per E-Mail in Nürnberg an.
Selbst hat auch die Lage im wirtschaftlichen Speckgürtel von Nürnberg Anteil am wirtschaftlichen Erfolgskurs. Bisher ging noch kein potenzieller Investor verloren. Mehr als die Hälfte der Gewerbesteuereinnahmen von 1,2 Millionen Euro kommen von Unternehmen, die sich in den letzten sechs Jahren in der fränkischen Gemeinde angesiedelt haben.
Die Rednitzhembacher dankten Spahl seine Ideen und wählten den Parteilosen 2002 mit 85 Prozent der Stimmen wieder.

Artikel vom 10.03.2005