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Klavierkunst von höchster
technischer Perfektion

Russisches Pianistenpaar vierhändig in der Kaiserpfalz

Von Günter Kunert
Paderborn (WV). Die kulturelle Verbindung zwischen Russland und Deutschland - diesem Thema stellten sich die Philharmonische Gesellschaft und die neu gegründete Deutsch-Russische Gesellschaft im Konzert in der Paderborner Kaiserpfalz am Sonntagabend.

Mit dem Pianisten-Ehepaar Julia Golkohovaya und Michael Kravtchin hatten beide Gesellschaften ganz hochkarätige junge Pianisten eingeladen, exzellente Ugorski-Meisterschüler, die musikalische Brücken bauten und in den vierhändigen Programmbeiträgen ein Höchstmaß an Kongenialität bewiesen.
So war denn auch das Programm deutsch-russisch ausgerichtet: Schubert und Brahms, Mussorgsky und Rachmaninoff bildeten die klingenden Namen pianistischer Meisterschaft. Schon im vierhändigen »Rondo« A-Dur von Franz Schubert bewiesen Golhovaya und Kravtchin eine präzise durchgearbeitete Interpretation, die in der differenzierten Anschlagskultur und im Ausloten der musikalischen Spannungsbögen begeisterte. Nahezu mühelos und dabei hoch konzentriert entfaltete das Pianistenehepaar das gefällige Rondothema, sprühte in den perlenden Läufen der wechselnden Passagen und vermochte es so, den Zuhörer zu fesseln.
Solistisch spielte Julia Golkovaya sodann die »Händel-Variationen« von Brahms, jene bereit angelegte Komposition, die mit einem reich verzierten Thema einsetzt und dann Brahmsche Tonsprache geradezu in Reinkultur in 25 Variationen liefert. Nuancenreich erfasste die Ugorski-Meisterschülerin jeden Charakter der Variantenbildung, vom Canon bis zur temperamentvollen Fanfare, von der rotierenden »Siciliana« bis zum »Spieldosenstück«; die mächtige Schlusssteigerung in der meisterhaft präsentierten Fuge zeigten eine Klavierkunst, die aus höchster Konzentration und technischer Perfektion dem »romantischen Klassizisten« vollends gerecht wurde.
Michael Kravtchin, nach Meisterklassendiplom bei Prof. Anatol Ugorski jetzt in Kassel als Dozent für Klavierspiel und Korrepetition tätig, führte zunächst in den großen Zyklus »Bilder einer Ausstellung« von Mussorgsky ein, indem er das thematische Material und die Bilder Viktor Hartmanns kommentierend erläuterte; sodann präsentierte er eine aufregende, zugleich geschlossene und farbenreiche Interpretation, die das Publikum völlig in seinen Bann zog; die differenzierte Darstellung der »Promenaden«, die Fahrt des Ochsenwagens Bydlo, der wilde Ritt der Hexen in Baba-Jaga und das imponierende Tor von Kiew - alle Teile spielte Michael Kravtchin mit einer pianistischen Leidenschaft, hochkonzentriert, ja nachgerade vollendet.
In den vierhändig gespielten »Morceau« op.11 des Novgoroder Komponisten Sergej Rachmaninoff zeigte das Pianisten-Ehepaar perfekte, ja geradezu symbiotische Kunst, die das Publikum in der ausverkauften Pfalzaula zu Beifallsstürmen herausfordete, sodass der genial gespielte vierhändige Tanz von Borodin einen wunderbaren Schlusspunkt bildete.

Artikel vom 09.03.2005