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Mit Waltrauds Singeperlen zur Primadonna mutiert

Tosender Applaus für Kabarettistin Marlene Jaschke

Von Andrea Pistorius
Delbrück (WV). Sie ist noch gar nicht richtig auf der Bühne, streckt nur den Kopf samt Hornbrille und Potthut durch den Vorhang und die Halle tobt. Marlene Jaschke hat in Delbrück ihre Fans, und die machten es der Kabarettistin bei ihrem Auftritt am Sonntag leicht.

Das Publikum bekam natürlich auch geboten, was es erwartete, und so war die Freude, sich zu sehen, durchaus gegenseitig. Und ganz ehrlich: Es ist schon bewundernswert, wie es der Künstlerin mit dem bürgerlichen Namen Jutta Wübbe gelingt, die Kunstfigur Marlene Jaschke nicht nur einen Abend lang pannenfrei zu zelebrieren, sondern auch über Jahre hinweg lebendig zu erhalten. Da stimmt jeder Blick, jede Bewegung und jedes Bonmot. Dass dabei die Zahl der geistreichen oder gar tiefsinnigen Sketche überschaubar bleibt, verzeiht das Publikum gern. Marlene Jaschke genügt, die Frau allein ist eine Schau.
Und so stakst sie in ihrer Rolle als spätes Mädchen mit unerfüllten Liebessehnsüchten durchs Programm. Sie trägt ein braves Kostüm (»am liebsten in Eierschale«), rustikale Halbschuhe und verwegene Hüte, und da ihr Alltag als Sekretärin in einer Schraubengroßhandlung recht ereignislos verläuft, mischt sie sich ein in das Leben von Freundin Hannelore, Schwester Gertrud und Schwager Werner.
Plaudernd kommt sie dabei von Hölsken auf Stöcksken und betont manches Ereignis stimmgewaltig musikalisch. Zumeist parodiert Marlene Jaschke Schlager, sie bedient sich aber auch respektlos der Opern- und Operettenliteratur, und wenn sie zu »Rock around the Clock« die Beine schmeißt, dann bricht im Publikum der Jubel los. Ohne Zweifel: Ihre Arie aus »Carmen« und das Medley aus Flower-Power-Superhits waren die besten Nummern des Abends.
Auch mancher Sketch bot kurzweilige Unterhaltung. Wenn Marlene zum Beispiel als Letzte ihren mittig gelegenen Platz in der Opernloge erklettert oder den Pianisten zwecks Demonstration einer Gymnastikübung auf den Boden bittet (»ich habe ja keine Turnhose drunter«). Bei ihrem Begleiter an den Tasten handelt es sich nach wie vor um Herrn Griebenstroh von der Trinitatis-Gemeinde, der diesmal ganz verwegen rote Socken zum schwarzen Anzug trug.
Dass Marlene Jaschke so beliebt ist, hat sicher auch damit zu tun, dass sie den direkten Kontakt zum Publikum sucht. So marschierte sie auch in Delbrück durch die Reihen, um 1050 Gäste persönlich zu begrüßen, einige durften auch mitwirken. Und so waren alle zufrieden, auch wenn Wellensittich Waltraud nicht mehr dabei sein kann: Sie ruht jetzt im Balkonkasten, und ihre verbliebenen Singeperlen verhelfen Marlene zu manchem furiosen Gesangsauftritt von Primadonnen-Qualität.

Artikel vom 08.03.2005