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US-Granate tötet zehn Brakeler

Für Helene Roessel und Maria Scheele ist das Kriegsende 1945 noch sehr lebendig

Von Michael Robrecht
Brakel (WB). Das Kriegsende 1945 jährt sich in den kommenden Wochen zum sechzigsten Mal. Das ist keines der großen Jubiläumsdaten, für viele Menschen jedoch erneut Anlass, sich an diese historische Zäsur und an die oft schwersten Jahre ihres Lebens zu erinnern. Wenn Helene Roessel (90) und Maria Scheele (89) aus Brakel im Altenheim St. Antonius in Brakel über 1945 sprechen, dann zieht eine Zeit an ihrem geistigen Auge vorüber, die sie nicht wieder erleben möchten.

»Ich erinnere mich nicht nur genau an jenen 22. Februar 1945, als der Brakeler Bahnhof in Schutt und Asche gelegt wurde, sondern ich habe auch miterleben müssen, wie die Amerikaner am 4. April 1945 die Stadt mit Granatfeuer unter Beschuss nahmen«, berichtet die ehemalige Lehrerin Helene Roessel. Sie lebte mit ihrer Familie »Im Schild« - genau neben jenem Unglückshaus des Kaufmanns Heinrich Meyer, in dem zehn Menschen durch eine US-Granate ihr Leben verloren. »Wir haben damals alle im Keller gesessen, da hörten wir, wie ein Geschoss in dem Kolonialwarenladen, der heutigen Annen-Apotheke, einschlug.« Die Granate zertrümmerte ein Fenster im Wohnzimmer, nahm ihren Weg durch den Fußboden des Zimmers und krepierte im Kellergang; tückischerweise handelte es sich um eine Zeitzünderbombe. In diesem Gang hatte sich die ganze Familie in ihr







er Angst aneinandergedrückt.
»Es war schrecklich. Herr Meyer verlor seine Frau, drei Kinder, die Schwiegermutter, eine Hausgehilfin und weitere bekannte Frauen«, hat Helene Roessel noch das Bild vor Augen, als Nachbar Meyer zu ihnen herüber kam und berichtete, dass seine Familie tot sei. »Er hat dann bei uns im Wohnzimmer eine Weile übernachtet«, sagt Frau Roessel. Es habe Tage gedauert, bis alles aufgeräumt werden konnte.
Studentin Helene Roessel war im Frühjahr 1945 mit dem letzten Zug aus Würzburg nach Brakel gekommen. Ihr Glück: Die Stadt am Main wurde kurz darauf total zerbombt. Die Stunde 0 erlebte sie in Brakel.
Altenheim-Nachbarin Maria Scheele (89) hat das Kriegsende 1945 als Rote-Kreuz-Schwester miterlebt. Von der Russlandfront über das Getto in Warschau bis zu den Richtung Westen flutenden Trecks hat sie alle Schrecken des Krieges im Osten gesehen. Die gebürtige Paderbornerin war wegen der Zerstörung des Viaduktes in Altenbeken nur bis Warburg gekommen, als sie sich im Chaos der letzten Tage zu ihrer Tante nach Beverungen retten wollte. Auf verschlungenen Wegen kam sie mit einem 16-jährigen Jungen bis Wehrden (»Es gab damals viel spontane Hilfe«), dann zur Tante, die bei den Vinzentinerinnen in Beverungen als Evakuierte untergekommen war. So landete sie im Kreis Höxter - lebte später in Höxter und zuletzt Steinheim.
Die Menschen im Kreis Höxter haben die letzten Tage durch verstärkte Tieffliegerangriffe erlebt. Ab den ersten Apriltagen mussten die Bürger stündlich mit dem Einrücken der Panzer- und Infanterieverbände der Amerikaner rechnen, die fast eine Woche vorher schon die Warburger Börde erreicht hatten. Der Einmarsch in vier Kolonnen bis zur Weser vollzog sich zwischen dem 4. und 7. April 1945. Im Warburger Land gab es zuvor sehr schwere Kämpfe, im Nordbereich kamen die Alliierten weitaus schneller voran. Sonderseite

Artikel vom 05.03.2005