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»Lichtaobend« und
»Sonntag Letere«

Schlesier erinnern sich an die Heimat

Altkreis Halle/Borgholzhausen (Felix). Peterwitz und Kolbnitz sind zwei kleine Dörfer im einstigen Niederschlesien. Etwa 2000 Menschen lebten dort bis zu ihrer Flucht 1946. Viele von ihnen siedelten sich in und um Borgholzhausen an. Am Samstag gab es beim »Schlä'schen Lichtaobend« ein Wiedersehen im Gasthof Sandmann.

»Wir wollen uns an die alte Heimat erinnern«, erzählte Fritz Hamann, Mitglied im Arbeitskreis Peterwitz-Kolbnitz. Zusammen mit Karin Steinweg, Ilse Weißhampel und Hans Bieder lud er die ehemaligen Bewohner der Dörfer und ihre Ehepartner zum gemütlichen Eisbeinessen ein. Karin Steinweg hatte eigens für den Nachmittag in alten schlesischen Büchern geblättert und trug Geschichten aus dem Werk »Die bunte Schlesiertruhe« des Mundart- und Heimatdichters Ernst Schenke vor, wie etwa »Woas is Schweinla erzahlt«.
Viel zu erzählen hatten sich auch die Schlesier, denn immer noch ist die Erinnerung an ihre alte Heimat mit ihren Traditionen und die Geschehnisse kurz vor Kriegsende sehr lebendig. »Der Lichtaobend ist eine Tradition aus der Zeit des Ersten Weltkrieges«, erinnert sich etwa Dora Otte. »Damals gab es noch kein elektrisches Licht. Man ging mit kleinen Stalllaternen abends zu den Nachbarn, etwa, wenn man zum Federnschleißen eingeladen war. Dann saßen die Frauen mit ihren Kopftüchern und Schürzen beisammen und präparierten die Bettfedern«, so die 84-Jährige. Gut erinnern kann sie sich auch noch daran, als sie früher an einem Sonntag vor Ostern, dem »Sonntag Letere«, als Kind mit den Sommersteken durchs Dorf zog, um nach Süßigkeiten zu fragen - ganz so wie in Westfalen beim Martinssingen.
Viele der ehemaligen Dorfbewohner waren schon ein- oder mehrmals in der alten Heimat, die heute zu Polen gehört. Auch Dora Otte möchte in diesem Jahr wieder hinfahren. Das wäre dann das 16. Mal. Die Bilder des Kriegsendes vor 60 Jahren, das Hin und Her der Flucht und die russischen Panzer hat sie noch gut in Erinnerung. »Es ist schön, dass wir jetzt eine gute Nachbarschaft zu Polen haben«, so Fritz Hamann. »Schließlich ermöglicht uns das auch, unsere alte Heimat zu besuchen«.

Artikel vom 07.03.2005