05.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Sozialkritik im
Krimi verpackt

Doris Gercke stellt ihren Roman vor

Von Henrike Kopmann
(Text und Foto)
Rahden (WB). Die Weltöffentlichkeit soll sich endlich mit dem Leid der Kinder beschäftigen. Dieses Ziel hat sich Nan gesteckt. Um das Überleben ihrer Familie zu retten, geht das asiatische Mädchen anschaffen.

Am Donnerstag präsentierte Doris Gercke, die »Mutter« von »Bella Block«, ihren neuen Roman »Schlaf, Kindchen, schlaf« in der Stadtbücherei Rahden. Ihr Zug habe Verspätung gehabt und sie sei gerade angekommen. »Da war keine Zeit mehr sich umzuziehen«, so die Autorin. Doch auch in schlichtem Schwarz wusste die Meisterin des Kriminalromans ihr Publikum zu fesseln: In ihrem neuesten Werk streitet Privatdektektivin Bella Block für die Rechte der Kinder. In Hamburg steht die »Internationale Konferenz zum Wohle der Kinder« an. Hiervon erfährt auch Nan. Das intelligente Mädchen sieht ihre Chance, die Öffentlichkeit auf ihre Situation und die Leiden ihrer Altersgenossen aufmerksam machen. Zusammen können sie es schaffen, davon ist sie überzeugt. »Komm her, Mandelauge«, mit diesen Worten lockt sie ihr Freier, bevor er sie »benutzt« - wie Nan es nennt. Der Schwede, der sich in seiner Freizeit an minderjährigen Asiatinnen vergeht, hat in der Öffentlichkeit eine weiße Weste. Kühl und mit Abscheu beobachtet Nan ihn. Sein Computer soll ihr helfen, überall auf der Welt Verbündete für ihr Vorhaben zu finden: Unbemerkt schickt sie den Aufruf los, alle ausgebeuteten Kinder möchten zur Konferenz aufbrechen.
Anschließend entführte Doris Gercke ihr Publikum nach Brasilien: Jorge lebt in Rio. Sein Geld verdient der Dreizehnjährige, indem er für die Mafia Drogen verkauft. Dass er in illegale Geschäfte verwickelt ist, stört ihn nur wenig. Doch sein Dasein als »Glückspilz« ändert sich mit einer grausamen Mutprobe: Der Mafiaboss Lee befiehlt Jorge, einem »Verräter« zu töten. Jorge flüchtet auf ein Schiff und bricht nach Hamburg auf. Mit erschütternder Authentizität zeichnet Gercke die Milieus nach. Ihren Zuhörern erlaubte sie, in die Wahrnehmung und Gefühlswelt der dargestellten Charaktere einzutauchen. Der Blick auf die Kinderschicksale wies in gesellschaftliche Abgründe. Der Kriminalroman biete ihr die Möglichkeit, sozialkritische Themen anzusprechen. Auf die ZDF-Fernsehproduktionen in der Reihe »Bella Block« nehme sie keinen Einfluss. Lediglich bei der Rollenbesetzung mit Hannelore Hoger sei ihre Meinung gefragt gewesen. »Nach dem ersten Film habe ich Pause gemacht, um mir das Bild der Fernseh-Bella abzutrainieren«, - auf den Unterschied zwischen ZDF-Kommissarin und Privatdetektivin besteht Gercke. Kürzlich habe sie sich mit dem Theaterstück »Georgia« an etwas Neues gewagt. Dem Rahdener Publikum gab die Autorin eine Kostprobe ihres lyrischen Schaffens.

Artikel vom 05.03.2005