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Wehe, wenn sie beißen

Oppenweher Jörn-Martin Trylus hält Vogelspinnen

Von Dieter Wehbrink
Oppenwehe (WB). »Blondi« ist schlagartig schlecht gelaunt. Sie mag es überhaupt nicht, von Jörn-Martin Trylus beim Dösen gestört zu werden. Der Oppenweher stupst die große Vogelspinne mit einer langen Pinzette aus respektvoller Entfernung vorsichtig an.

In Sekundenschnelle richtet sich die mürrische Brasilanerin mit dem lateinischen Namen »Theraptiosa blondi«, gemeinhin als »Goliath«-Vogelspinne bekannt, drohend auf und streckt zwei ihrer langen Beine in die Höhe. »Jetzt möchte nicht von ihr gebissen werden«, sagt Trylus schmunzelnd, während er langsam, aber spürbar fasziniert die überdimensionierte Pinzette aus dem Terrarium zieht. »Blondi ist zwar nur schwach giftig, hinterlässt aber mit ihren Zähnen böse Fleischwunden«.
Die haarige Mitbewohnerin ist eines von 120 Tieren, die Jörn-Martin Trylus in seinem Haus im Oppenweher Henkendamm Nr. 6 hält. Kleine Jagdspinnen, Skorpione, Hundert- oder Tausendfüßler, große Schaben oder Gespenstschrecken - der Oppenweher ist in alles vernarrt, was gemeinhin als Gliederfüßler bezeichnet wird.
Trylus hat sein Hobby auch zum Beruf gemacht, denn gemeinsam mit Partner Boris Rutsch zieht er mit seinen Tieren durch ganz Deutschland und veranstaltet Ausstellungen. Dort feiert er - wie unlängst in Herford - Riesenerfolge, denn die Besucherzahlen sprengen oft Rekorde. Alle wollen in die schaurig-schöne Welt von Riesenspinne, Schabe und Co eintauchen.
Wer Jörn-Martin Trylus und seine Freundin Vanessa Riemer zuhause besucht und sich die lange Reihe der gepflegten Terrarien anschaut, ist fasziniert von den zum teil sehr bunten Krabbeltieren, die bei optimaler Luftfeuchtigkeit und molliger Heizungsluft in grün bepflanzten, möglichst lebensraumecht gestalteten Glaskästen sitzen. Der Laie ahnt sofort: Hier ist viel Engagement und Fachwissen nötig. »Eine einzelne Spinne zu pflegen - das ist sehr schnell erledigt. Bei 120 Tieren fallen jedoch viele Stunden an«, erzählt der Experte. »Allein für das Gießen der Terrarien, das für die richtige Luftfeuchtigkeit unerlässlich ist, benötige ich täglich zwei Stunden«.
Es kommt auch vor, dass einer seiner haarigen Lieblinge ausbüxt und in der Wohnung verschwindet. Eine nicht ganz ungefährliche Situation, denn die »Schwarze Witwe« ist beispielsweise eine Spinne, die zwar klein, aber wegen ihres Giftes sehr gefährlich werden kann. Trylus: »Ihr Biss bringt dich glatt um, wenn du nicht zum Arzt gehst . . .«
Doch hier kann er sich auf seine Schäferhunde »Taifuna« und „Justus“ verlassen. Die Vierbeiner erschnüffeln die unheimlichen Ausreißer selbst im letzten Winkel des Hauses sicher auf.
Trylus erinnert sich noch gut daran, wie er seine erste Spinne erhielt. »Damals betrieb ich ein Tattoo-Studio in Rahden. Eines Tages kam eine Kundin und hielt mir eine Vogelspinne unter die Nase, weil sie das Tier nicht mehr behalten wollte. Sie glaubte, ich sei der richtige Typ dafür.« Doch der Oppenweher war im ersten Moment völlig perplex. »Ich bin zwar sehr tierlieb. Doch Spinnen - die mochte ich seinerzeit eigentlich nicht.«
Trylus überwand seine Hemmungen, nahm die grazile Exotin mit - und war dem »Spinnenvirus« fortan hilflos ausgeliefert. Überhaupt hat er auch bei seinen Ausstellungen erfahren, wie schnell bei den Besuchern Faszination über die Scheu siegt. »Vor allem Kinder fahren voll auf meine Tiere ab. Erwachsene fürchten sich im ersten Moment etwas - aber nur deshalb, weil sie so erzogen wurden«.
Der Oppenweher, der mit seinen Ausstellungen auch Schulen und Kindergärten besucht, kauft seine Exemplare auf Reptilien- und Terraristikbörsen, von Großhändlern oder - durch das Internet - von Privathaltern. Die Menschen in der heimischen Region haben demnächst in der Stadthalle Lübbecke die Gelegenheit, seine Ausstellung zu sehen. Vom 2. bis zum 3. April zeigt er dort jeweils von 10 bis 19 Uhr mehr als 70 Vogelspinnen, Skorpione und andere Gliederfüßler.

Artikel vom 05.03.2005