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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Reinhard Schreiner, Höxter


Liebe Schwestern und Brüder!
Das Bekenntnis unseres christlichen Glaubens beginnt mit den Worten: »Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.« Drei Aussagen werden hier über Gott gemacht: Vater, Allmächtiger, Schöpfer. Schauen wir uns die drei Aussagen darum etwas genauer an:
»Schöpfer des Himmels und der Erde«. Nun reizt das Thema Schöpfung ja zu einer umfassenden Erörterung: biblischer Glaube und naturwissenschaftliche Erkenntnis. Und seit Jahrhunderten hat dies immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt zwischen Kirche und Wissenschaft. Häufig hat dieser Umgang mit der Naturwissenschaft der Glaubwürdigkeit der Kirche nur geschadet.
Der Streit um die Frage nach Naturwissenschaft und Schöpfung ist vom Ansatz her falsch geführt. Denn Naturwissenschaft ist zunächst einmal eine beschreibende Wissenschaft. Sie betrachtet die Welt so, wie sie nach menschlichen Möglichkeiten zu erkennen ist und beschreibt, was sie erkannt hat. Urknall und Evolution sind solche Theorien und Denkmodelle, die nach heutiger Erkenntnis vieles für sich haben, aber die bei wissenschaftlichem Fortschritt durchaus auch wieder veränderbar sind. Und wir brechen uns als Christen keinen Zacken aus der Krone, wenn wir dies auch anerkennen. Wir müssen unsere Kinder nicht vom Biologieunterricht abmelden, wenn dort die Erkenntnisse der Evolutionstheorie gelehrt werden.
Dabei kann Naturwissenschaft gar nicht in einen Widerspruch zu unserem Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer des Himmels und der Erde treten. Denn dieses Bekenntnis liegt jenseits menschlicher Erkenntnismöglichkeit. Es geht dem Bekenntnis ja nicht darum, exakt zu beschreiben, wie Himmel und Erde geschaffen worden sind. Sondern beim Bekenntnis geht es darum, daran festzuhalten, dass alles, was in der Welt und mit der Welt geschehen ist und geschehen wird, von Gottes Allmacht umfasst ist.
Darum heißt es auch über Gott im Glaubensbekenntnis: an Gott, den Allmächtigen. Beim Glauben an diesen Gott, den Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, geht es nicht um eine wissenschaftliche Beschreibung, wie alles geworden ist. Sondern es geht um die Begründung eines Verhältnisses, das zwischen Gott und seiner Schöpfung besteht. Gott hat Himmel und Erde geschaffen! Die Wahrheit dieses Satzes gilt völlig unabhängig davon, ob es einen Urknall gegeben hat oder nicht.
Gott hat mich geschaffen! Die Wahrheit dieses Satzes gilt völlig unabhängig davon, wie die Entwicklung des Lebens von der Wissenschaft beschrieben wird. Wir bekennen uns ja zu dem Gott, der bereits in der Schöpfung einen unauflöslichen Bund mit uns Menschen geschlossen hat. Er hat uns als seine Kinder geschaffen, und darum ist er unser Vater.
Das Bild vom Vater steht darum nicht von ungefähr am Anfang des Glaubensbekenntnisses. Es geht um die Beziehung, die zwischen ihm und uns besteht. Bilder für diese Beziehung zwischen uns und Gott kann es zahlreiche geben. Und in diesen Bildern kommt immer wieder zum Ausdruck, dass wir seine Geschöpfe sind. Das ist sein Geschenk an uns, seine Güte und Barmherzigkeit.
Dieser Gott entzieht sich darum auch unseren menschlichen Erkenntnismöglichkeiten. Er lässt sich nicht beweisen. Darum ist der Streit um die Naturwissenschaft auch ein überflüssiger Streit, der uns bei der Frage nach der Wahrheit unseres Glaubensbekenntnisses keinen Millimeter weiter hilft.
Die Antwort auf diese Wahrheit ist nicht der Beweis, sondern allein das Vertrauen und der Glaube, und dann natürlich der Dienst und der Gehorsam. Das klingt zwar sprachlich ein wenig verstaubt. Wer mag heute noch von Dienst und Gehorsam sprechen. Aber wenn wir es, gerade im Blick auf die Schöpfung, in unseren Erfahrungshorizont übersetzen wollten, und wenn wir da vom Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung sprechen, dann treffen wir damit sicher auch die Konsequenzen, die das Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer, mit sich bringen.
Martin Luther schließt seine Erklärungen zum Glaubensbekenntnis im Kleinen Katechismus mit den Worten: »Das ist gewisslich wahr.« Gewisslich wahr, ob mit oder ohne Urknall, ob mit oder ohne Evolutionstheorie. Das ist für mich gewisslich wahr, wo ich mich auf Gott einlasse und ihm vertraue, wo ich ihn meinen Vater sein lasse und bereit bin, als sein Kind zu leben, und wo die Bewahrung seiner Schöpfung für mich Konsequenz aus dem Bekenntnis zum Schöpfer ist.
Dieser Gott will mein Gott sein, er will unser Gott sein, Gott für mich, Gott für uns. Und dass Gott der Gott für uns ist, das kommt nirgendwo so deutlich zum Tragen, wie in der Geschichte seines Sohnes Jesus Christus, in der Geschichte von der Erlösung. Davon berichtet dann der zweite Artikel des Glaubensbekenntnisses und davon mehr in einem späteren »Wort zum Sonntag«.

Artikel vom 05.03.2005