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Psychisch Behinderte brauchen Werkstatt

Rasanter Anstieg der Fallzahlen - Neubau im Altkreis Halle noch in 2005 erscheint möglich

Von Stefan Küppers
Halle/Altkreis Halle (WB). Das Problem der Betreuung sogenannter psychisch Behinderter wird offenkundig immer drängender. Binnen weniger Jahre hat sich die Zahl der Betroffenen mehr als verdoppelt - und sie wird nach Prognosen noch weiter ansteigen. Die Werkstatt für Behinderte (WfB) will auf dieses Problemfeld reagieren und für Menschen mit psychischen Behinderungen im Altkreis Halle eine eigene Werkstatt-Einrichtung bauen.

Der CDU-Landtagskandidat Günter Kozlowski nahm gestern einen Besuch in der Haller Werkstatt für Behinderte (im Gewerbegebiet Kleine Heide) zum Anlass, sich über die Baupläne und die dahinter stehende besondere Problematik informieren zu lassen. Als ehemaliger Oberkreisdirektor hat Kozlowski ohnehin einen besonders guten Draht zur WfB, hat »viel Herzblut drin« wie WfB-Geschäftsführer Hermann Korfmacher lobte. Politische Unterstützung kann die WfB auch gut gebrauchen, denn in Zeiten leerer öffentlicher Kassen (gerade auch beim Landschaftsverband als Kostenträger der Behindertenhilfe) ist Fantasie und Überzeugungskraft gefragt, um noch neue Sozialprojekte finanzieren zu können.
Überzeugen will die WfB vor allem mit Zahlen. Denn die Zahl psychisch Behinderter wächst stetig. »Viele kommen mit den Anforderungen dieser Zeit nicht mehr zurecht. Sie werden immer jünger und es sind immer mehr Frauen«, verdeutlicht Korfmacher. 1998 betreute die WfB noch 141 psychisch Behinderte. Die Zahl wuchs in den letzten sieben Jahren auf in diesem Jahr 322. In vier Jahren sind schon 419 Fälle prognostiziert.
Durch den rasanten Fallanstieg ist die WfB mittlerweile überfordert, die psychisch Behinderte bewusst getrennt von anderen Behinderten in einer Gütersloher Einrichtung (Kattenstrother Industrieservice) Arbeitsstätten bietet. Insbesondere fehlt im Altkreis Halle, wo der Bedarf schon jetzt bei mehr als 60 Plätzen liegt, eine wohnortnahe Werkstatt. Als Standort böte sich Brockhagen an, wo mit Hörmann der größte Auftraggeber für die WfB ansässig ist.
Kozlowski informierte sich über die Finanzierungsmöglichkeiten, die auf eine sogenannte »Private-Public-Partnership« hinauslaufen. Danach übernähme ein privater Investor den Bau, der dann vom Landschaftsverband gemietet würde. Sehr erfolgreich praktiziert dieses Modell der Kreis Gütersloh mit einer neuen Sonderschule in Rietberg. Als Investor käme im Fall der Werkstatt für psychisch Behinderte die Altenzentrum Wiepeldoorn Heilpädogische Kindergärten GmbH Co. KG in Betracht, die zwar eine 100-prozentige Tochter des Kreises Gütersloh ist, aber wirtschaftlich ganz anders handeln kann als ein öffentliches Organ. Zumal auch WfB-Aufsichtsratsvorsitzende Erika Düfelsiek positive Signale aus der Politik in Münster bekommen hat, ist Korfmacher optimistisch noch in 2005 einen ersten Spatenstich setzen zu können.
Bei einem Rundgang informierte sich Günter Kozlowski über die sehr erfolgreiche Werkstätten-Arbeit in Halle, die 122 Beschäftigte (davon 32 Schwerstbehinderte) und 36 Betreuer hat. Wie Kozlowski erfuhr, macht die WfB (insgesamt 1100 Beschäftigte) Umsätze in knapp zweistelliger Millionenhöhe. Wobei auch Weltfirmen wie Hörmann oder Miele die Arbeit der verschiedenen Behinderten-Werkstätten, die alle ein qualifiziertes Qualitätsmanagement haben, wegen des Preis-Leistungs-Verhältnisses sehr schätzten. Mancher Arbeitsplatz sei wegen der günstigen WfB-Angebote nicht nach Osteuropa verlagert worden.

Artikel vom 02.03.2005