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Wenn der Kleine von dem Großen lernt

Grundschule Amshausen macht positive Erfahrungen mit der flexiblen Eingangsstufe

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen-Amshausen (WB). »Die Kinder hatten eigentlich kein Problem damit, nur die Eltern und Lehrer -Êim Kopf«, sagt Annette Hellmann. Seit einem halben Jahr werden an der Grundschule Amshausen Erst- und Zweitklässler gemeinsam unterrichtet, und die Schulleiterin ist inzwischen ausgesprochen zufrieden damit.
Individuelle Förderung lautet das Stichwort: Lehrerin Andrea Schmidt-Hofestädt (r.) kümmert sich während einer Freiarbeitsphase um Louise. Fotos: Niemeyer

Flexible Schuleingangsphase nennt sich die neue Unterrichtsform offiziell, und die Grundschule Amshausen ist eine von acht Schulen im Kreis Gütersloh, die damit zu Schuljahrsbeginn gestartet ist. Aus Zweitklässlern und neu eingeschulten Kindern wurden in Amshausen vier Lerngruppen gebildet, die in den Kernfächern von je zwei Lehrkräften unterrichtet werden. So ist es möglich, jedes Kind auf seinem Leistungsstand anzusprechen und zu fordern.
»Das Entscheidende ist aber nicht die Alters- sondern die intellektuelle Bandbreite«, sagt Annette Hellmann. Seit einigen Jahren hat sich ihr Kollegium schon mit dem Thema eigenverantwortliches Lernen beschäftigt und Fortbildungen besucht. »Ohne diese Erfahrungen mit offenen Unterrichtsformen hätten wir dies jetzt wohl nicht so bewältigt«, berichtet Hellmann.
Nach dem gleitenden Unterrichtsbeginn steht in den ersten 60 Minuten steht Lesen, Schreiben und Rechnen auf dem Stundenplan. Jeder Schüler arbeitet entsprechend seinem Niveau, kann auch mit einem Partner lernen oder sich in eine der fachbezogenen Arbeitsecken im Klassenraum zurückziehen. Auf ihren persönlichen Lernplänen streichen die Kinder dann ab, was sie erledigt haben. »Mathepläne beispielsweise haben wir auf sechs verschiedenen Niveaus«, erläutert Annette Hellmann.
Trotz aller Individualisierung: Die Lernziele werden erreicht. Gerade die erfahrenen Lehrerinnen stellten zu Weihnachten fest, dass der vorgesehene Stoff tatsächlich vermittelt wurde. Und mehr noch: Besonders begabte Kinder schreiten schneller voran, fühlen sich nicht unterfordert. Kinder mit Entwicklungsverzögerung lernen von den Größeren, sind motivierter und fühlen sich nicht ausgegrenzt. Dabei erwies sich die Sorge vieler Eltern, die Älteren würden zuviel Zeit brauchen, um den Jüngeren zu helfen, als unbegründet. Hellmann: »Das ist meist nur punktuell, und dann profitieren die Kinder selbst am meisten davon.«
Die Grundschüler haben die Möglichkeit, die Eingangsphase in ein, zwei oder drei Jahren zu durchlaufen. Die Versetzung spielt erst im Anschluss, beim Übergang in die »normalen« dritten und vierten Klassen eine Rolle.
»Schade, dass wir so wenig Unterstützung vom Staat erfahren haben«, bedauert die Amshausener Schulleiterin, die mit ihren Kolleginnen viele, viele Überstunden leisten musste. Geld für Räume und Lernmittel fehlte, von Schulungen ganz zu schweigen. Doch inzwischen fühlt sich das achtköpfige Lerngruppen-Team gestärkt. Annette Hellmann: »Es gibt zwei Ansprechpartner pro Gruppe, und wir reden sehr viel über die Kinder, haben ein sicheres Urteil.«

Artikel vom 02.03.2005