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Design »peppt« medizinische Geräte auf

Der Handyausrüster Balda baut sich mit dem Bereich Medical seit 2002 ein weiteres Standbein auf

Von Edgar Fels
Bad Oeynhausen (WB). Der frühere Kamerahersteller Balda hat in den vergangenen fünf Jahren mit der Produktion von Handyschalen den globalen Markt erobert. Nun strebt das börsennotierte Unternehmen aus Bad Oeynhausen sogar den Titel Weltmarktführer an. Weniger bekannt ist Balda für sein zweites Standbein: die Medizintechnik. Dabei gibt es auch dort rasante Wachstumschancen.

Drei Produkte aus dem Bereich Medizintechnik fertigt Balda derzeit in hoher Stückzahl: Inhalatoren für Asthmatiker, Stechhilfen für Diabetiker sowie kleine Tuben für Cremes, die in der Tiermedizin zum Einsatz kommen.
Der noch junge Bereich »Medical« wurde erst im August 2002 gegründet. Doch schon im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen mit 43 Mitarbeitern bereits zehn Millionen Euro Umsatz in diesem Sektor.
Für das laufende Geschäftsjahr peilt Balda einen ordentlichen Zuwachs von 50 Prozent und damit die 15-Millionen-Euro-Marke an. Das ist aber erst der Anfang. 2008 sollen es bereits 90 bis 100 Millionen Euro Umsatz sein. Ein derartiges Wachstum ist allerdings nur durch Unternehmenszukäufe zu erreichen, erläutert Firmensprecher Cersten Hellmich.
Daneben verfügt Balda übrigens noch über einen dritten Geschäftszweig mit dem Namen »Automotive«. Dazu gehören die Produktion von Cockpit-Systemen, Tacho-Symbolfolien, siebbedruckte Folien für Bedienungselemente wie Klima- und Regelungssysteme sowie Farbfilter für LCD-Displays, die weltweit in Pkw-Modellen verschiedener Hersteller verarbeitet werden.
»Wir wollen unser Geschäft auf breitete Beine stellen, unabhängiger vom reinen Handymarkt werden«, sagt Hellmich. Aber wie kommt ein Unternehmen, das mit Handyschalen für Nokia, Siemens, Motorola & Co. zu einem so genannten »Global Player« - einem Weltspieler - geworden ist, ausgerechnet dazu, Teile für die Medizintechnik zu fertigen?
Ganz einfach, erläutert Sprecher Cersten Hellmich. Balda verfüge zum einen über einen modernen, auf hohe Losgrößen ausgerichteten Technologiepark, zum anderen über das technische Knowhow für die Herstellung kleiner komplexer Kunststoffteile. Außerdem beherrsche man die Oberflächenveredelung von Kunststoffteilen, zum Beispiel das Lackieren, Galvanisieren oder Bedrucken.
Baldas strategische Entscheidung muss auch im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung im Gesundheitssektor gesehen werden. Nicht nur, dass die Menschen immer älter und damit anfälliger für Krankheiten werden. Die Bürger werden künftig mehr als bisher in die Verantwortung für ihre medizinische Versorgung genommen. Etwa was den Kauf von Hilfsmitteln angeht.
Immer mehr Bürger würden vom »Patienten« zum »Konsumenten« von medizinischen Produkten, erklärt Dr. Rolf Eilers (38), Geschäftsführer von Balda Medical. Oder anders ausgedrückt: »Die Bürger werden selbst Entscheidungsträger.«
So wird nach Einschätzung von Dr. Eilers künftig das Design immer wichtiger. Es gebe keinen Grund, warum manche Geräte »schlicht weiß« sein müssen. Für den Inhalator etwa hat Balda mehrere Design-Studien in Arbeit. Eilers: »Der 14-jährige Junge hat sicher einen ganz anderen Geschmack als sein Großvater. Das ist wie beim Handy.« Hier setzt Baldas Geschäftsidee an.
Design ist eine Sache. Funktionalität und Sicherheit die andere. Mit seinen 22 Bauteilen verfügt der Inhalator über ein System wie ein Schweizer Uhrwerk, sagt Eilers. »Daran werden wir auch gemessen.«
Als Zweitlieferant für Firmen der Pharmabranche verschaffte sich Balda Eintritt in diesen Markt. Heute wollen die Bad Oeynhausener auch dabei sein, wenn es um Entwicklungen, neue Konzepte und Produktideen geht. Unternehmen wie Roche Diagnostik und Bayer Healthcare gehören zu Baldas Kunden.
Die Produktion der Medical-Produkte findet in einem keimarmen, nahezu sterilen »Reinraum« innerhalb des Balda Technologieparks in Bad Oeynhausen statt. Für die Mitarbeiter gelten hohe Hygiene-Anforderungen.
Wer im »Reinraum« arbeitet, muss Kittel und Kopfbedeckung tragen und vor dem Betreten auch die Schuhe wechseln. Essen, Rauchen, Trinken, all dies ist streng untersagt - die Mitarbeiter sind sich ihres verantwortungsvollen Handelns bewusst. Zur Hygiene gehört auch, dass sich die 43 Kollegen nicht die Hand geben.
Die Arbeit im »Reinraum« unterliegt klaren Regeln. Diese erhält jeder Mitarbeiter in Form eines kleinen Heftchens, den »Good Manufactoring Practices« - den guten »Herstellungspraktiken«.
Zurzeit stehen 25 Spritzgießmaschinen und eine Montageanlage auf etwa 1000 Quadratmetern für den Medical-Bereich zur Verfügung. Für Erweiterungen können weitere Räume im Technologiepark an die hohen Anforderungen der Balda Medical angepasst werden.
Rohmaterial für die einzelnen Kunststoffteilchen ist wie bei der Produktion der Handyschalen das ursprünglich aus Rohöl gewonnene Granulat. Es wird im Produktionsprozess bei 240 Grad geschmolzen und mit 2000 bar - das ist etwa das Tausendfache des Reifendrucks beim Pkw - in die Formen gepresst. Die hohe Kunst sei dabei, eine wirklich gleichbleibende Qualität sicherzustellen. Zur Absicherung der erforderlichen Produktionsqualität setzt Balda Medical modernste Prüfverfahren, wie zum Beispiel 3D-Laserscanner, ein.
Allergien, Asthma, Diabetis sind Krankheiten, die immer mehr zunehmen. Balda sieht daher einen wachsenden Markt in dem Bereich mobiler, medizinischer Verabreichungs- und Diagnosegeräte. Der Markt »Medical« bietet Raum für Innovationen. Vielleicht kann der Diabetiker Insulin eines Tages anstatt zu spritzen inhalieren. Weiterentwicklungen stehen an der Tagesordnung. Was etwa die Stechhilfen für Blutzucker-Patienten angeht, arbeitet Balda an einer einfacheren Bedienmöglichkeit.
Balda wolle Vorschläge und Konzepte seiner Kunden aufgreifen, sich aber auf die Rolle des Zulieferers konzentieren. »In der Medizin entscheidet Zuverlässigkeit«, sagt Geschäftsführer Rolf Eilers. Daher wolle man in langjährige Partnerschaften investieren.
Auch wenn Balda seine Umsatzzahlen und Prognosen nennt, ob und wie gut das Unternehmen tatsächlich mit Medical verdient, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis.

Artikel vom 05.03.2005