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»Silicom« liegt in Sennestadt

Vom Isimeter bis zum Piep-Ei: Erfinder und Unternehmer Rupprecht Gabriel

Von Bernhard Hertlein
Oerlinghausen/Bielefeld (WB). Silicon hat einen High-Tech-Standort berühmt gemacht. Silicom dagegen hat seinen Sitz im Bielefelder Stadtteil Sennestadt. Es ist die High-Tech-Bude des Oerlinghauser Ingenieurs, Unternehmers und Erfinders Dr. Rupprecht Gabriel (53).

Bundesweit bekannt wurde Gabriel durch zwei Erfindungen für die Küche. Da ist zum Einen das »Piep-Ei« - eine Ei-Uhr, die endlich genau anzeigt, wann das Frühstücksei fertig ist. Es sieht aus wie ein Ei und wird zusammen mit den Eiern gekocht. Sobald die Temperatur erreicht ist, bei der das Eigelb gerinnt, gibt das Ei mit einer kräftigen Melodie das Signal. Der Käufer hat die Wahl zwischen drei Piep-eiern unterschiedlicher Härtegrade: Detlef für weich, Hartmut für hart wie ein Tennisball. Die Technologie beruht darauf, dass das Piep-Ei »weiß«, welche Temperatur im Innern der Frühstückseier herrschen und bei welcher Temperatur - 62 Grad Celsius - das Eigelb zu gerinnen beginnt.
Spaß, zusätzlichen Nutzen und sogar italienische Opernkultur bringt auch eine zweite Erfindung Gabriels für die Küche: Die Mafia-Figur »Al Dente« zeigt an, wann die Nudeln fertig sind. Ins kochende Wasser gegeben, spielt sie nach sieben Minuten den »Triumphmarsch« aus »Aida«, nach neun Minuten den »Gefangenenchor« aus »Nabucco« und nach elf Minuten »La Donna é mobile« aus »Rigoletto«.
Begonnen hat Gabriels Karriere ganz prosaisch als Doktorant an der Universität Braunschweig. Das damalige Promotionsthema - Regelungstechnik für elektrische Antriebe (Drehstrommaschinen) - erwies sich als zukunftsweisend. Das Interesse an Gabriels Forschungsergebnissen war groß - auch international. Für die Verkehrstechnologie markierte sie einen wichtigen Entwicklungsschritt. So kam Gabriel zu Hanning und Kahl und nach Oerlinghausen.
Über die Mikroelektronik gelangte Gabriel nach Dresden und dort in Kontakt mit einem 20-köpfigen Entwicklungsteam in Moskau. Die Firma stand kurz vor der Schließung. Gabriel suchte im Westen einen Investor, fand aber niemanden. »Da habe ich mich entschieden, es selbst zu machen.«
Silicom, so der Firmenname der Moskauer Gruppe, bekam fortan Aufträge zur Entwicklung von Antriebstrechnik für Detech, einem Unternehmen in Sennestadt, das Gabriel Mitte der 90er Jahre zusammen mit der Bonner Moeller-Gruppe (früher Kloeckner-Moeller) gegründet hatte. Als Moeller wieder mal umstrukturierte und sich aus Detech zurückziehen wollte, bot sich 1999 Hella (Lippstadt) als neuer Partner an. Der Spezialist fürs Autolicht entwickelte hier auf Mehrfachfunktionen angelegte Leistungselektronik.
Inzwischen hat Hella diese Entwicklungsaufgaben wieder in den Konzern nach Lippstadt zurückgeholt. Gabriel, der sich aus der Unternehmung zwischenzeitlich zurückgezogen hatte, übernimmt in diesem Jahr die Maschinen und etwa 20 Mitarbeiter. Er wird künftig hier unter dem Namen »Silicom« modulare Kopplungsteile für die Solarindustrie produzieren. Außerdem sollen die von Gabriel und der Deutschen Zählergemeinschaft in einer Firma in Hamburg entwickelten neuen digitalen Stromzähler »Isimeter« künftig in Sennestadt gebaut werden.
»Piep-Ei« und »Al Dente« werden zumindest vorläufig weiter in der Slowakei produziert und von Oerlinghausen aus von Gabriels Firma »Brainstream« vertrieben. Grundsätzlich aber hat Deutschland aus Sicht des Erfinders auch als Produktionsstandort eine Zukunft. Es könne jedenfalls nicht so weiter gehen, dass Herstellung und Märkte immer weiter auseinander driften. Ein großer Nachteil des Standorts Deutschland und darüber hinaus Europas ist, so sagt Gabriel, die lange Dauer von der Idee über die Entwicklung bis zur Aufnahme einer Produktion. Der Aufwand, um an Mittel aus der staatlichen Förderung heranzukommen, sei riesig und viel zu zeitaufwendig: »Da gehen leicht zwei Jahre ungenutzt ins Land.« Gabriel hat für sich selbst die Konsequenz gezogen, wenn es geht, lieber auf staatliche Förderung zu verzichten. Dadurch erspart er sich manchen Frust: »Mir macht es Spaß, selbst etwas zu bewegen - und das möglichst schnell.«

Artikel vom 05.03.2005