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Erst Millionen und dann das »Todesurteil«

Jacobistift-Chronik von Pastor Werner Lohmann schildert Existenzkampf in den 90er Jahren

Werther (WB/SKü). Nach den großen Bürgerdemonstrationen in den 80er Jahren für den Erhalt des Krankenhauses hatte die Landesregierung zwar eingelenkt und auch große Investitionen zugesagt. Doch zur Ruhe kam das Jacobistift kaum, wurde der Fortbestand des Hauses insbesondere von den Krankenkassen in Frage gestellt. Hinzu kamen »Personalien«, die für Aufregung sorgten. Eingangs des dritten Teils seiner (verkürzten) Jacobistift-Chronik erinnert der langjährige Vorsitzende der Gesellschafter-Versammlung, Pfarrer i.R. Werner Lohmann, an einen Fall, der damals heiß diskutiert wurde.

Leider kam es schon seit längerer Zeit zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen Vertretern des Trägers und der Betriebsleitung mit dem chirurgischen Chefarzt Dr. Klaus Pohlmann. Da das Vertrauensverhältnis untereinander in zunehmenden Maße zerstört war, fasste die Gesellschafterversammlung am 14. November 1989 den Beschluss, den mit Dr. Pohlmann 1975 geschlossenen Dienstvertrag zu kündigen. Das war für den Krankenhausträger in der fast 115-jährigen Jacobistift-Geschichte eine erstmalige und schwerwiegende Entscheidung.
Am 8. März 1990 kam es dann zur Gerichtsverhandlung, die für alle Beteiligten sehr belastend war, zumal Dr. Pohlmann als Arzt bei seinen Patienten und in der Bevölkerung einen guten Ruf hatte und viel Sympathie erfuhr. Als Nachfolger wurde Bernd Lohmann aus Bethel berufen.
Nach einer sehr bewegten Zeit hoffte der Träger, dass unser Krankenhaus sich wieder konsolidieren würde und langfristig in seinem Bestand gesichert wäre. Es waren dafür auch hoffnungsvolle Aussichten zu erkennen: Gesundheitsminister Heinemann löste sein Versprechen ein und bewilligte dem Krankenhaus für die notwendigen Sanierungsmaßnahmen 6,6 Millionen D-Mark. Mit dem Geld sollte der Neubau für die chirurgischen OP-Räume, eine Liegendanfahrt, eine neue Eingangshalle sowie der Umbau der Funkionsräume im Altbau finanziert werden.
Bei der Grundsteinlegung am 10. April 1990 sagte Kultusminister Hans Schwier (SPD) als Vertreter der Landesregierung: »Dieses Krankenhaus ist etwas Besonderes. Es ist das Haus der Bürger der Stadt Werther. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll nicht nur der Bestand des Hauses gesichert sein, sondern auch für die Zukunft weiterentwickelt werden. Wir sind deshalb bereit, nicht nur unseren guten Willen, sondern auch unser gutes Geld für das Projekt in die Waagschale zu werfen.«
In der Gesellschafterversammlung war auf Anregung von Geschäftsführer Lutz Hecht erörtert worden, ob ein Ärztehaus am Krankenhaus errichtet werden sollte. Es waren auch schon mehrere Fachärzte, vorwiegend aus Bielefeld, interessiert. Jedoch fand der Plan bei den Wertheraner niedergelassenen Ärzten nur wenig Zustimmung, so dass man ihn wieder fallen ließ.
1992 und 1993 konnten die umfangreichen Umbau- und Ausbaumaßnahmen - hinzu kam die Errichtung eines Altenpflegeheims mit 56 Betten - zum Abschluss gebracht werden.
Das neue Gesundheitsstrukturgesetz wirkte sich aber gerade in einem kleineren Krankenhaus wie Werther negativ aus, weshalb 1993 im Jacobistift ein Sparkonzept beschlossen wurde. Obwohl ein positives Ergebnis erzielt wurde, kam das Krankenhaus hinsichtlich seiner weiteren Entwicklung keineswegs zur Ruhe. Vor allem die Landesverbände der Krankenkassen drängten auf baldige Kündigung der Versorgungsverträge mit den kleineren Krankenhäusern. Mit der Wahl des anerkannten Pneumologen Rüdiger Tillmanns als Nachfolger des 1994 verstorbenen Oberarztes Dr. med. Lothar Dreyhaupt wollte der Träger das medizinische Angebot ausweiten und so den Bestand des Hauses sichern. Tillmanns erwarb sich bald einen guten Ruf und behandelte Patienten aus dem gesamten Einzugsgebiet.
Einen wichtigen Einschnitt bedeutete die Kündigung des Geschäftsführers Lutz Hecht zum 31. März 1994. Zum Nachfolger wurde Friedrich Heidelbach von der Ev. Stiftung Rheda gewählt, kommissarisch agierte in Werther Günter Schramm. Mit Rheda waren seit 1993 ernsthafte Gespräche über eine engere Zusammenarbeit geführt worden. Angestrebt wurde sogar eine Diakonie-Holding, der auch andere diakonische Einrichtungen beitreten konnten. In einem Gesellschaftsvertrag wurde festgeschrieben, dass die Ev. Stiftung Rheda und die Ev.-Luth. Kirchengemeinde Werther gemeinsame Gesellschafter des Ev. Krankenhauses St. Jacobistift gGmbH werden sollten. Von dem Stammkapital von weiterhin 500 000 Mark trug Rheda 255 000, die Kirchengemeinde Werther 245 000 Mark. Der Förderverein des Krankenhauses trat vorher seinen Geschäftsanteil von 150 000 Mark an die Kirchengemeinde ab. 1995 wurde Wolfram Firnhaber neuer Verwaltungsleiter, wechselte aber schon nach einem Jahr nach Memmingen.
Trotz einer guten Belegungsquote und weiterhin rückläufiger Verweildauer plante Mitte 1995 das NRW-Gesundheitsministerium auf Drängen der Krankenkassen, die Krankenhäuser in Werther und Rheda zu schließen. Es war völlig unverständlich und geradezu grotesk, dass vom Land NRW einersseits der teure Umbau mit etwa 7,5 Millionen D-Mark in den letzten Jahren noch bezuschusst worden war und andererseits nun mit Schließung gedroht wurde. Nicht nur Ärzte und Patienten aus Werther und Umgebung waren empört und sammelten zahlreiche Unterschriften, sondern auch der Rat der Stadt Werther und dessen rühriger Stadtdirektor Peter Hagemann forderten in einer einstimmigen Resolution die Landesregierung und die Krankenkassen auf, von einer eventuellen Schließungsabsicht Abstand zu nehmen.
Von Seiten des Trägers und aller kirchlichen und kommunalen Stellen war alles versucht worden, das gewünschte Konzept für ein Gesundheits- und Diakoniezentrum zu verwirklichen. Die früheren Zusagen des Ministerpräsidenten Johannes Rau und des Gesundheitsministers Hermann Heinemann für den Erhalt des Hauses schienen vergessen zu sein. Serie wird fortgesetzt

Artikel vom 26.02.2005