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Silberstreif zieht auf

Konjunkturumfrage der IHK Ostwestfalen

Von Herbert Sommer
Am Konjunkturhimmel zieht ein leichter Silberstreif auf: Die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld vom Frühjahr 2005 nährt die Hoffnung, dass die Inlandskonjunktur leicht anzieht. Erstmals seit vier Jahren beurteilen mehr Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage mit »gut« als mit »schlecht«.

Die Erwartungshaltung der befragten Betriebe hat sich zwar nicht adäquat verbessert. Für die nähere Zukunft bleibt die Wirtschaft unter dem Strich aber dennoch gedämpft optimistisch.
Hintergrund für die zurückhaltende Zukunftserwartung ist sicherlich die Skepsis angesichts der weiteren Reformschritte. Der Wirtschaft sind noch zu viele Wachstumsfesseln angelegt. Viele Unternehmer fürchten, dass der erfolgten Einleitung des Kurswechsels in Deutschland nun zwei Jahre des politischen Stillstands folgen. Deshalb fordert die IHK, die Reformpolitik fortzusetzen.
Dazu gehört die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Senkung der Lohnnebenkosten sowie die dringend erforderliche Vereinfachung der Steuersystematik. Dabei muss unter dem Strich eine geringere Steuerbelastung herauskommen, die Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften nicht benachteiligt und im internationalen Vergleich attraktiv auch für Investoren ist.
Grundsätzlich hat Ostwestfalen seit den 1980er Jahren einen rasanten Wandel in seiner Wirtschaftsstruktur hinnehmen müssen. Die großen industriellen Traditionsbranchen, mit denen die Region bedeutend und wohlhabend geworden war, wie die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die Bauindustrie und die Landwirtschaft, haben - was die Beschäftigung angeht - erheblich an Bedeutung verloren. Auch der in Ostwestfalen seit jeher gewichtige Maschinenbau unterlag einem technologisch bestimmten Strukturwandel mit heftigem Auf und Ab. Heute gehört er mit gut 37 500 Beschäftigten als größter Indus-triezweig zu den innovativen und erfolgreichen Branchen.
Dazu zählen auch die Branche der Metallerzeuger, die Elektrotechnik und das Ernährungsgewerbe. Insgesamt beheimatet Ostwestfalen viele innovative Großunternehmen wie Bertelsmann, Claas, Dr. Oetker, Miele, Lycos oder Wincor Nixdorf. Aber es sind besonders die zahlreichen »Hidden Champions«, die den wirtschaftlichen Charakter der Region prägen: kleine und mittlere Unternehmen, hochinnovativ und äußerst erfolgreich, die in ihren Nischen nicht selten Weltmarktführer sind.
Davon gibt es eine ganze Menge: zum Beispiel die Firma Arntz Optibelt aus Höxter, Europas führender Anbieter von Industrieriemen. Die Herforder Firma Wedeco ist Weltmarktführer bei chemikalienfreier Wasseraufbereitung mit UV-Systemen oder die BST International GmbH aus Bielefeld Marktführer in den Bereichen Bahnlaufregelung und Bahnbeobachtungssysteme.
Ob »Hidden Champion« oder Weltunternehmen: Die Wirtschaft unterliegt angesichts der fortschreitenden Globalisierung einem andauernden Strukturwandel. Davon ist Ostwestfalen in den vergangenen Jahren stärker betroffen als andere Regionen, weil der Trend weg von der Industrie- hin zur Dienstleistungsgesellschaft anhält. Für die Region ist es deshalb von großer Bedeutung, dass der Dienstleistungssektor eine immer stärkere Rolle einnimmt und ausbaufähig bleibt.
Fast 45 000 Mitgliedsunternehmen mit nahezu 250 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind bereits im Dienstleistungsbereich tätig. Statistisch betrachtet sind wir in der Dienstleistungsgesellschaft angekommen. Darüber hinaus bietet der Standort weiteren innovativen Dienstleistungsunternehmen große Chancen, im Miteinander mit modernen Industrieunternehmen zum Wachstum Ostwestfalens beizutragen.
Grundsätzlich gibt es zwei entscheidende ökonomische Zielsetzungen für die Region: wirtschaftliches Wachstum zu fördern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wollen wir in Ostwestfalen langfristig einen konstant hohen Beschäftigungsstand erreichen, müssen allerdings zunächst die Ursachen der Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Deshalb fordern wir insgesamt mehr Freiraum für unternehmerisches Handeln.
Ein erster wichtiger und richtiger Schritt in diese Richtung war die Einrichtung Ostwestfalen-Lippes als Modellregion für Bürokratieabbau. Auf Landesebene wird diese Initiative fortgesetzt, auf der Bundesebene leider nicht.
Wirtschaft ist zwar nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist vieles nichts. Nur wenn es den Unternehmen gut geht, kann es auch deren Beschäftigten gut gehen. Ein umfassendes Spektrum an wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten bedeutet gleichzeitig einen Zugewinn an Lebensqualität für alle.
Einen Hauptansatz für eine wachstumsorientierte und damit Arbeitsplätze schaffende Regionalpolitik ist die laufende Verbesserung der harten und weichen Standortfaktoren. Dabei muss die Devise für Ostwestfalen lauten, Gutes noch besser zu machen. Schließlich werden bessere Standorteigenschaften zu höheren Wachstumsraten im Vergleich zu Konkurrenzregionen führen - und können somit dafür Sorge tragen, dass Ostwestfalen auch zukünftig innovativ und erfolgreich bleibt.

Artikel vom 05.03.2005