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Antworten auf neueste Entwicklungen

Was erfolgreiche Handwerker auszeichnet, ist die Fähigkeit zu individuellen Lösungen

Von Otto Kentzler
Das Handwerk hat eine besondere Unternehmenskultur. Selbständigkeit, Eigeninitiative, Eigenverantwortung und aktives unternehmerisches Handeln werden in den Betrieben gelebt. Tatkräftige Unternehmerinnen und Unternehmer sind in ihrer Region zu Hause, haben dort ihre Kundschaft. Sie kennen aufgrund der Nähe die Bedürfnisse der Menschen, versorgen sie mit innovativen Produkten und individuellen Dienstleistungen. Hieraus erwächst das wirtschaftliche Potential des Handwerks.

Die Stärke der Betriebe bleibt nur erhalten, wenn wir Antworten finden auf die neuesten Entwicklungen: sich verändernde Märkte, sich verändernde Kundenwünsche und den technischen Fortschritt. Ich bin da ganz optimistisch: Das Handwerk hat bisher immer noch Antworten gefunden, im Spannungsfeld zwischen Tradition und Zukunft. Es hat die ausgeprägte Fähigkeit zum Wandel, verharrt nicht im Gestern, sondern schaut nach vorne.
Was erfolgreiche Handwerker auszeichnet, ist vor allem die Fähigkeit zu individuellen, neuen Lösungen. Ein Beispiel ist mir jüngst aufgefallen. Die Handgabel-Hubwagen für den Transport von Paletten fahren seit bald 50 Jahren unverändert in so ziemlich jedem Betrieb. Zweieinhalb Tonnen kann so ein Hubwagen bei einem Gewicht von rund 100 Kilogramm tragen. Er ist praktisch, aber zu schwer und zu unhandlich für den Transport.
Einen Metallbaumeister ließ das nicht ruhen - und nun gibt es den zerlegbaren Handgabel-Hubwagen. Patentiert unter dem sinnigen Namen »NoStress«, ist er von einer Person in Sekundenschnelle ohne Werkzeug zu zerlegen und kann im Kofferraum eines Autos transportiert werden.
Erfindungen sind in vielen Betrieben fast schon Alltag - auch wenn es selten um ganz neue Produkte geht. Die Stärke des Handwerks liegt in der Weiterentwicklung und kreativen Neukombination bekannter Technologien. Ein Beispiel: Die Wartung von Heizungsanlagen und zunehmend auch das Gebäudemanagement sind mittlerweile von einer beliebigen Zentrale aus möglich - weil die Handwerksunternehmen I+K-Techniken auf eine neue Weise eingesetzt haben.
Die Anwendung neuer Technologien wie Laser-, CAD-, Roboter- und Kommunikationstechniken eröffnet neue Märkte: Prozess- und Herstellungskosten werden reduziert, Produkteigenschaften verbessert oder es werden gänzlich neue Produkte entwickelt. So ist es beispielsweise bei den Kunststoffen gewesen, die den Fensterbau, die Zahnprothetik sowie den Klima- und Heizungsbau nachhaltig verändert haben.
Auch der Modellbau in seiner heutigen Form wäre ohne Kunststoffe und Polymere noch immer auf Holz angewiesen. Keramiken ermöglichen neuartige, leitungslose Installationsmöglichkeiten für das Haus der Zukunft. Die Gesundheitshandwerke profitieren von der Mikrosystemtechnik, wenn sie die Ergebnisse aus den Laboren der Forschungseinrichtungen zur Miniaturisierung von Produkten und Instrumenten konsequent nutzen. Zu den technologischen Herausforderungen der Zukunft zählt die mobile oder auch stationäre Brenn-stoffzellen-Technologie, die das Handwerk nachhaltig verändern wird. Betriebe entwickeln sich zu Energie-Dienstleistern.
Allerdings führen innovative Produkte oder Verfahren nicht automatisch zu neuen Märkten. Erst die genaue Analyse des Marktes, also der Bedürfnisse der Kunden, ermöglicht erfolgreiche handwerkliche Innovationen. Für zukunftsorientierte Handwerksunternehmen gibt es zwei Strategien: Entweder sie sind selbst innovativ und entwickeln neue Verfahren und Produkte, oftmals auch patentierte Lösungen. Oder sie setzen neue Technologien und Werkstoffe in innovative Produkte und Prozessinnovationen um.
Die Kooperation mit Fach- und Hochschulen ist für innovative Handwerksunternehmen schon fast selbstverständlich. Sehr viele Handwerksunternehmer verfügen heute über eigene Patente oder andere gewerbliche Schutzrechte. Der Weg von der Idee über die Patentanmeldung bis zum marktfähigen Produkt ist nicht immer ganz einfach, und deshalb helfen die Technologietransfer- und Innovationsberater der Handwerksorganisation. Darüber hinaus stehen den Betrieben mehr als 800 betriebswirtschaftliche und technische Berater zur Seite. Etwa 1200 Unternehmen wurden im vergangenen Jahr bei dem Projekt »Erfinderförderung im Handwerk« unterstützt. Ergebnis: mehr als 100 Patente und weitere gewerbliche Schutzrechte.
Jeder erfolgreiche Meister macht im übrigen anderen Mut. Jeder kann ein Erfinder sein. Wer mehr wissen will, ist eingeladen zum Innovationstag auf die Internationale Handwerksmesse in München IHM am 14. März.
Besonders beeindruckend ist für mich, dass es vor allem die Betriebe mit großem gesellschaftlichem Engagement sind, die auch innovativ und wirtschaftlich erfolgreich sind. Dies hat jüngst eine Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung ergeben. Die Wissenschaftler hatten die 175 Bewerber für den Handwerkspreis der Bertelsmann-Stiftung und des ZDH analysiert. Dabei war ihnen aufgefallen, dass Qualität am Markt, eine Unternehmenskultur und -führung und die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung geradezu ein Erfolgsrezept sind.
Denn Handwerksunternehmen mit diesen Merkmalen waren unter den Bewerbern die erfolgreichsten - sie wuchsen auch unter schwierigen konjunkturellen Bedingungen, sie erschlossen sich neue Märkte und schafften überdurchschnittlich oft den Sprung ins Ausland. Wer Produkt- und Prozessinnovationen mit einer gelebten Unternehmenskultur und gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang bringen kann, der hat den Schlüssel zum Erfolg in der Hand.

Artikel vom 05.03.2005